Europäische Politik mit Perspektiven für Land- und Forstwirtschaft sowie den Ländlichen Raum

Vom 6. bis zum 9. Juni 2024 sind die Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union zur Wahl eines neuen Europäischen Parlaments aufgerufen. In Zeiten von geopolitischen Unsicherheiten, eines fortschreitenden Klimawandels und zunehmenden Drucks auf die Ernährungssicherung ist die Wahl des künftigen Europäischen Parlaments von herausragender Bedeutung. Die deutschen Landwirtinnen und Landwirte arbeiten hart daran, die Versorgung mit Lebensmitteln in der EU zu sichern. Der Deutsche Bauernverband begrüßet daher die Anerkennung für die verlässliche Arbeit der europäischen Landwirtschaft in den jüngsten Krisen. Der durch die Europäische Kommission angekündigte strategische Dialog über die Zukunft der Landwirtschaft in Europa ist für die EU und ihre Land- und Forstwirtschaft hoch relevant und darf nicht zu einer unverbindlichen Gesprächsrunde geraten. Der Deutsche Bauernverband empfiehlt, dass dieser Dialog mit einer Analyse der bereits vorliegenden Green-Deal-Politiken eröffnet wird. Alle neuen Vorschläge müssen zwingend einer Machbarkeits- und Haushaltsbewertung unterzogen werden, um die Ambitionen der EU mit ihren Ressourcen in Einklang zu bringen. Viele Errungenschaften der EU, die viele Bürgerinnen und Bürger für selbstverständlich halten, werden heute von manchen Akteuren wieder politisch infrage gestellt. Dazu zählen der EU-Binnenmarkt, der Euro und auch die GAP – die Gemeinsame Agrarpolitik der EU. Um weitere Erfolge der EU für die Landwirtschaft zu erreichen, setzen die deutschen Bauernfamilien auf starke Institutionen, vor allem eine einflussreiche Generaldirektion Landwirtschaft in der EU-Kommission und einen mit starker Kompetenz betrauten Ausschuss für Landwirtschaft und ländlichen Raum im EU-Parlament. Themenübergreifend setzen wir aber auch auf transparentere Gesetzgebung und einen Abbau von überbordender Bürokratie, die Landwirtschaft und ländliche Räume nur belasten. Der Deutsche Bauernverband bekennt sich zu Europa. Die Bauern haben die europäische Einigung angeschoben, mitgetragen und gefördert. Auch zukünftig unterstützen die Landwirtinnen und Landwirte eine Europäische Union, die für Frieden, Freiheit, Solidarität sowie wirtschaftliche Freiheit steht und zugleich die europäischen und deutschen Bauernfamilien wertschätzt.

Green Deal und Farm-to-Fork-Strategie mit der Landwirtschaft weiterdenken

Die deutschen Bäuerinnen und Bauern unterstützen die grundsätzlichen Ziele des Europäischen Green Deal und der Farm-to-Fork-Strategie. Als Deutscher Bauernverband arbeiten wir seit 2020 konstruktiv an der praktischen Umsetzung dieses Gesetzespakets, um die Weiterentwicklung zu einem noch nachhaltigeren Landwirtschafts- und Ernährungssystem zu unterstützen. Allerdings ignorieren sowohl der Green Deal als auch die Farm-to-Fork-Strategie fundamentale Zielkonflikte und gefährden in ihrer Ausgestaltung die Versorgungssicherheit sowie europäische Standards. Die eigentlichen Nachhaltigkeitsziele drohen durch Produktionsverlagerungen in Drittländer und damit einhergehend einem absehbar höheren Importbedarf konterkariert zu werden. Auch die durch den russischen Angriffskrieg veränderten sicherheits- und geopolitischen Erfordernisse sind nicht berücksichtigt. Deshalb bedarf es einer Neujustierung des Green Deal und der darauf aufbauenden Gesetzgebungsvorhaben. Auch die einseitige Vorgabe von pauschalen Reduktionszielen ist noch keine Strategie. Künftig muss es verstärkt darum gehen, wie die landwirtschaftlichen Betriebe die notwendigen Anpassungen leisten und gleichzeitig im Wettbewerb bestehen können. Insbesondere müssen vom Markt nicht-honorierte Leistungen bezahlt und die heimische Produktion vor Erzeugnissen, die zu geringeren Standards hergestellt wurden, geschützt werden – u. a. durch eine Erweiterung des Klimagrenzausgleichs.

Strategischer Dialog mit der Landwirtschaft
Gleichwohl beinhalten die Ambitionen des Green Deal erhebliche Risiken für die wirtschaftliche Tragfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe sowie für die Ernährungssicherung in Europa. Diese Herausforderungen müssen im Zentrum des angebotenen strategischen Dialogs stehen. Der DBV erwartet deshalb einen deutlich stärkeren Einbezug landwirtschaftlicher Verbände und des Anliegens einer sicheren Nahrungsmittelversorgung beim Entwurf von europäischen Gesetzen. Damit die Idee des Green Deal in der Praxis funktionieren kann, braucht es außerdem umfangreiche Folgenabschätzungen politischer Vorhaben, insbesondere hinsichtlich möglicher Verlagerungseffekte und neben der sozialen und ökologischen auch eine gesonderte Berücksichtigung der ökonomischen Nachhaltigkeit. Neben der Landwirtschaft sollte die politische Debatte zudem stärker auf die Verantwortung von Verbrauchern blicken, denn letztendlich müssen höhere Auflagen und Standards auch angemessen honoriert und entlohnt werden.

Der DBV fordert:

  • Eine umfassende Folgenabschätzung der Farm-to-Fork-Strategie
  • Eine Folgenabschätzung für jede zusätzliche Auflage in Bezug auf die Ernährungssicherheit, das Risiko von Verlagerungseffekten und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Landwirtschaft
  • Die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen landwirtschaftlichen Erzeugung sowohl bei der Umsetzung des Green Deal als auch bei klimapolitischen Vorgaben für die europäische Landwirtschaft – dazu zählen auch eine Erweiterung des Klima-Grenzausgleichssystems und die Stärkung von Forschung, Förderung und praktischer Umsetzung

Kooperation beim Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt in den Mittelpunkt stellen

Der DBV bekennt sich zu den grundsätzlichen Zielen der Europäischen Biodiversitätsstrategie und unterstützt den Erhalt und die Förderung der biologischen Vielfalt. In der Vergangenheit hat die europäische Gesetzgebung vor allem den Klima- und Umweltschutz priorisiert, ohne dabei die wirtschaftlichen Folgen für landwirtschaftliche Betriebe und Produktionskapazitäten abzuwägen.

Kooperation auf Augenhöhe mit der Landwirtschaft
Im Gegenteil sollte der kooperative Klima- und Naturschutz zukünftig in den Mittelpunkt von europäischer Gesetzgebung für die Land- und Forstwirtschaft gestellt werden. Dieser kann Umweltleistungen produktionsintegriert in betriebliche Abläufe eingliedern und ist folglich mit einer modernen und produktiven landwirtschaftlichen Produktion vereinbar. Hierfür muss mit Blick auf eine erhöhte Flächennutzungskonkurrenz die existierende europäische Agrarfläche für landwirtschaftliche Produktion und Umweltleistungen erhalten bleiben. Umweltschutz auf der Fläche muss produktiver und flächeneffizienter werden. Auch die Wiederherstellung von Ökosystemen muss freiwillig sowie kooperativ erfolgen und braucht ferner entsprechende Prämien, um Anreize zu schaffen.

Klimaanpassung als Chance ermöglichen
Neben Maßnahmen zum Klimaschutz muss auch eine stärkere Fokussierung auf Klimaanpassungsmaßnahmen erfolgen. Investitionen in Bewässerungsinfrastruktur, Züchtung, Regenwasserrückhalt, Humusaufbau etc. sind ebenso erforderlich wie die Förderung von Versicherungslösungen. Die Umsetzung der Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel kann nur über einzelbetrieblich angepasste und freiwillige Maßnahmen in der Praxis erfolgen, bedürfen aber finanzieller Unterstützung. Der Schlüssel zur Erreichung von Klimaneutralität ist die Kohlenstoffentnahme und Speicherung aus der Atmosphäre in Böden, Produkten und Vegetation. Sie bietet eine große Chance für Land- und Forstwirte, aktiv an der Abschwächung des Klimawandels mitzuwirken.

Pauschale Reduktionsziele ohne Grundlage vermeiden
Pauschale Reduktionsverpflichtungen für den Einsatz von Betriebsmitteln unter dem Deckmantel des Klima- oder Naturschutzes lehnt der DBV ab, da ihnen die wissenschaftliche Grundlage fehlt. Hinsichtlich vergangener Errungenschaften, wie etwa bei der Reduktion von Pflanzenschutz- und Düngemitteln sowie Antibiotika, sollten Anreize für die Verringerung von Umweltwirkungen geboten werden. Zugleich muss die Anwendung nach fachlicher Praxis garantiert werden. Gleichwohl können innovative Lösungen für resilientere Kulturen und Sorten einen Beitrag dazu leisten, die Notwendigkeit für den Einsatz von Betriebsmitteln zu reduzieren.

Auswüchse beim strengen Artenschutz zurückführen
Beim strengen Schutz von Arten und Biotopen muss ein Vorrang für die Kooperation mit den Landnutzern eingeführt werden. Da viele ehemals gefährdete Arten durch die Schutzbemühungen heute weit verbreitet sind und wie beispielsweise Biber, Gänse, Kormorane und Wölfe aufgrund ihrer Bestandsgrößen zum Problem werden, bedarf es im Naturschutzrecht eines praxistauglichen Mechanismus für eine Beendigung bzw. Herabstufung des Schutzstatus. Bisher ist das europäische Naturschutzrecht nicht auf den Erfolg des Natur- und Artenschutzes vorbereitet. Überschützte Arten, wie beispielsweise der Wolf oder einige Gänse müssen in ihrem Bestand reduziert werden können, um die Akzeptanz des Naturschutzes und die Landbewirtschaftung, insbesondere die Weidetierhaltung zu sichern.

Der DBV fordert:

  • Wahrung der Prinzipien „Schutz durch Nutzung“ und „Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht“
  • Kooperation und Integration des Land- und Fortwirtschaftssektors in Maßnahmen für den Klimaschutz, die Klimaanpassung und den Erhalt der Artenvielfalt
  • Fokussierung auf produktionsintegrierte Naturschutzmaßnahmen
  • Honorierung der Leistungen der Landwirte im Bereich Natur- und Klimaschutz
  • Subsidiaritätsprinzip und Eigentumsrechte wahren
  • Schaffung eines verlässlichen Rechtsrahmens und einer von der GAP unabhängigen Förderung für Carbon Farming
  • Anerkennung der Klimaschutzleistungen der Land- und Forstwirte im Bereich der erneuerbaren Energien und nachwachsenden Rohstoffe
  • Den anhaltenden Verlust landwirtschaftlicher Flächen durch Versiegelung, Überbauung, Siedlungen und Verkehr, aber auch durch produktionseinschränkende Auflagen und Verbote europaweit verringern
  • Die Wasser- und Bewässerungsinfrastruktur fördern und ausbauen sowie die Wasserwiederverwendung mit hohen Qualitätsstandards erhöhen
  • Eine pragmatische Herabstufung des Schutzstatus überschützter Arten ermöglichen und einen verbindlichen Mechanismus zur Zurückstufung des Schutzstatus in der FFH-Richtline für Arten, deren Population nicht mehr gefährdet ist
  • Marktautorisierung für Saatgut durch neue Züchtungsmethoden ermöglichen Keine Patente auf Pflanzen und Tiere zulassen

Unbürokratische EU-Agrarpolitik für wettbewerbsfähige Betriebe

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) hat seit 1962 europaweit eine überragende Bedeutung für heute rund 10 Millionen landwirtschaftliche Betriebe. Sie ist Eckpfeiler der europäischen Integration, bietet einen umfassenden Mehrwert für die EU und ist für die deutsche und europäische Land- und Ernährungswirtschaft existenziell. Die GAP sorgt für wirtschaftliche Stabilität der Betriebe in offenen und volatilen Märkten, unterstützt deren Wettbewerbsfähigkeit, fördert eine nachhaltige und flächendeckende Bewirtschaftung und stärkt die Attraktivität und Vitalität der ländlichen Gebiete. Sie ist Garant für einen funktionierenden EU-Binnenmarkt, der rund 450 Millionen Verbrauchern eine einzigartige und sichere Vielfalt und Qualität an Lebensmitteln bietet.

Anspruchsvolle EU-Standards im globalen Wettbewerb
Für alle deutschen und europäischen Landwirte setzt die GAP die Regeln und Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Erzeugung von Lebensmitteln und einen schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Die Anforderungen an die Landwirtschaft haben sich stetig verändert. Entsprechend wurde die GAP immer wieder angepasst. Nach der Abkehr von der Markt- und Preisstützung tragen die Landwirte mit den an viele Auflagen gebundenen Direktzahlungen seit über 20 Jahren in besonderem Maße zum Schutz von Klima, Umwelt, öffentlicher Gesundheit sowie Pflanzengesundheit und Tierschutz bei.

Kritische Entwicklung der EU-Förderpolitik
Die politischen Weichen für die nächste und übernächste GAP-Förderperiode werden nach der Europawahl 2024 und der anschließenden Neubesetzung der EU-Kommission gestellt. Bereits im ersten Jahr nach der GAP-Reform 2023 wird deutlich, dass die EU-Förderpolitik vor allem bei der „Grünen Architektur“ unter schweren Mängeln leidet. Insgesamt ist vom politischen Versprechen eines „neuen Liefermodells“ mit mehr Ergebnisorientierung und mit mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die EU-Staaten und für die Landwirte nicht viel geblieben. Die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe rückt in den Hintergrund, Bürokratie und Komplexität nehmen überhand. Hier müssen die Förderstruktur und die Förderabwicklung deutlich einfacher und übersichtlicher werden. Auch die Abstimmungen des Fördersystems zwischen EU, Bund und Ländern müssen deutlich verbessert werden.

Balance der Ziele wahren und die EU als Produktionsstandort stärken
Die Erwartungen an öffentliche Leistungen der Landwirte wachsen deutlich (siehe Green Deal). Gleichzeitig muss sich die EU den neuen Gegebenheiten stellen, wenn Agrarmärkte international höchst vernetzt sind und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft zunehmend beeinträchtigen. Anhaltende Entwicklungen zeigen, dass die Herausforderungen und Unsicherheiten in der Nahrungsmittelversorgung als Teil der globalen Sicherheit weiterwachsen. Damit verknüpft sind auch der immer stärker wahrnehmbare Klimawandel und der Erhalt der Biodiversität. Die Resilienz der Land- und Ernährungswirtschaft sowie die Ernährungssicherheit müssen wieder eine hohe politische Priorität bekommen. Dies ist auf dem Weg zu einer modernen und unbürokratischen GAP-Förderung nach 2027 zu beachten, ebenso bei der Umsetzung der Farm-to-Fork-Strategie. Hochwertige Lebensmittel zu erzeugen und zusätzliche gesellschaftliche Leistungen zu erbringen, muss für die deutschen und europäischen Landwirte praktikabel und profitabel sein.

Gesellschaftliche Ansprüche finanzieren und Leistungen der Landwirte attraktiv honorieren
Die Herausforderungen wachsen rasant, während das EU-Agrarbudget stagniert. Offensichtlich ist dabei das Missverhältnis zwischen den Ansprüchen von Politik und Gesellschaft an die GAP und was sie überhaupt leisten kann. Das EU-Agrarbudget und seine Einkommenswirksamkeit für die Landwirte müssen unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen – z. B. Inflation und neue Beitrittsländer – erhöht werden. Für grundlegende zusätzliche Anforderungen wie z. B. in den Bereichen Klimaschutz und Tierwohl sind hinreichende zusätzliche Ausgleichszahlungen und Finanzierungen nötig (s. bereits oben unter 1.).

Der DBV fordert:

  • Eine gleichrangige Bedeutung der Förderziele zur Stärkung der Ernährungssicherung, der Wettbewerbsfähigkeit, des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der ländlichen Entwicklung und Agrarstruktur
  • Einen tiefgreifenden Abbau von Komplexität und Bürokratie in der GAP-Förderung, um Landwirte und Verwaltungen zu entlasten und eine Akzeptanzkrise abzuwenden
  • Einen parallelen Abbau der Konditionalität (einschließlich GLÖZ) als gesamtbetriebliche Verpflichtung, wenn der Abbau der Basisprämie fortgesetzt wird
  • Eine für die Landwirte attraktive, praktikable und profitable Gestaltung von Agrarumweltmaßnahmen, sodass diese zu einem soliden Betriebszweig entwickelt werden können
  • Eine stärkere Fokussierung auf wirksame Risikomanagementmechanismen und auf eine verbesserte sowie zielorientierte Förderung des Generationenwechsels europaweit
  • Eine den gesellschaftlichen Erwartungen an öffentliche Leistungen der Landwirte entsprechende Erhöhung des EU-Agrarbudgets und seiner Einkommenswirksamkeit für die Landwirte unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen (z. B. Inflation, Beitrittsländer) - für grundlegende zusätzliche Anforderungen (z. B. Klimaschutz, Tierwohl) sind hinreichende zusätzliche Ausgleichszahlungen und Finanzierungen erforderlich

Nutztierhaltung in die Zukunft führen

Tierhaltung leistet einen wichtigen Beitrag zur Nahrungsmittelerzeugung, aber insbesondere für geschlossene Nährstoffkreisläufe. Durch Tierhaltung kann pflanzliche Biomasse, die ungeeignet für die menschliche Ernährung ist, zur Erzeugung hochwertiger Nahrungsmittel genutzt werden. Gleichzeitig kommen wertvolle Nährstoffe anhand des Wirtschaftsdüngers zurück auf die Flächen. Darüber hinaus ist Tierhaltung mit ihren vor- und nachgelagerten Bereichen ein elementarer Beschäftigungs- und Wirtschaftsfaktor, insbesondere für den ländlichen Raum. Hier werden in der Verarbeitung namentlich auf dem europäischen aber auch in einem hochpreisigen Segment des Weltmarktes gefragte Spezialitäten erzeugt.

Angepasste Regelungen statt höchster Standards für jede Betriebsgröße
Doch diese Produkte sind durch die zunehmenden Anforderungen – insbesondere bei nationalen Alleingängen – in den Ställen, vor allem aber im Schlacht- und Molkereibereich gefährdet. Bei einer Beibehaltung des Anforderungssystems unabhängig von der Betriebsgröße für alle Betriebe, wäre die wirtschaftliche Tragfähigkeit und damit auch die kurzen Wege der Lebensmittel für die regionalen Märkte nicht mehr sichergestellt. Der DBV erwartet daher, dass die EU angepasste Regelungen findet, die nicht zusätzlichen wirtschaftlichen Druck durch mehr Bürokratie sowie Investitionen für kleine Betriebsgrößen in der Verarbeitung aufbaut und die keine Strukturbrüche bei den tierhaltenden Landwirtschaftsbetrieben auslöst.

Harmonisierte Bedingungen in ganz Europa
Unter Berücksichtigung der insbesondere in Deutschland über das europäische Niveau hinaus gehenden nationalen Standards bei Tierhaltung und Tierwohl plädiert der DBV für eine Harmonisierung der Anforderungen für Tierhalter auf europäischer Ebene. Diese Harmonisierung ist notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Tierhaltung zu sichern und ein Abwandern in andere Teile Europas oder über die europäischen Grenzen hinaus zu verhindern.

Tierwohl muss im Zweifel Vorrang haben
Der Umbau der Tierhaltung zu mehr Tierwohl weist Zielkonflikte auf, namentlich im Zusammenhang mit Umweltanforderungen. Diese Konflikte dürfen nicht zulasten des Tierwohls und der Tierhalter ausgetragen werden. Andernfalls wird jede Entwicklung hin zu mehr Tierwohl zunichtegemacht und die europäische Tierhaltung insgesamt gefährdet. Der DBV fordert hier, dass gangbare Wege beschritten werden und im Zweifel für das Tierwohl entschieden wird.

Bürokratie durch Anwendung bestehender Systeme begrenzen
Die Umsetzung von zusätzlichen Vorgaben zum Schutz bestimmter Schutzgüter verkehren sich oft ins Gegenteil und sorgen lediglich für mehr Bürokratie. Stattdessen sollte zur Vermeidung von Doppelstrukturen und damit zur Begrenzung von zusätzlichem Aufwand und Bürokratie auf bestehenden Kontroll- und Zertifizierungssystemen aufgebaut werden.

Der DBV fordert:

  • Weiterentwicklung der Nutztierhaltung unter der Prämisse der Leistbarkeit und Praxistauglichkeit sowie ohne Strukturbrüche
  • Einheitliche europäische Standards zur Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit am europäischen Markt
  • Ein einheitliches europäisches System zur Tierhaltungs- und Herkunftskennzeichnung und die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, verpflichtende Kennzeichnungssysteme einzuführen
  • Die hohen Standards europäischer Erzeugung herauszustellen und in Handelsabkommen abzusichern
  • Zielkonflikte zwischen Tierwohl und Umweltanforderungen im Sinne des Tierwohls aufzulösen
  • Vereinfachte Auflagen für kleine und mittlere Schlachtereien, um regionale Vermarktungsketten zu ermöglichen
  • Erhöhung der Forschungsausgaben im Nutztierbereich, um Zielkonflikte mit konkreten Lösungsansätzen zu begegnen

Ausgewogene Handelspolitik für Konsumenten und Landwirtschaft gestalten

Die EU ist weltweit der größte Importeur und Exporteur von Agrargütern und Lebensmitteln und somit ein bedeutender Akteur im internationalen Agrarhandel. Gegenwärtig verhandelt die EU mit vielen Ländern der Welt über neue, umfassende Freihandelsabkommen, welche selbstverständlich auch Auswirkungen auf die deutsche und europäische Landwirtschaft haben werden. Der DBV bekennt sich grundsätzlich zum Handel und steht Handelsabkommen der EU mit Drittstaaten aufgeschlossen gegenüber, erwartet aber zugleich, dass die hohen EU-Standards respektiert werden. Neben dem Abbau von Zöllen haben in den letzten Jahren weitergehende Absprachen über technische Handelshemmnisse, Produktions- und Umweltstandards, Dienstleistungen oder den Schutz geistigen Eigentums an Bedeutung gewonnen.

Ausgewogene Handelsabkommen im Sinne der Landwirtschaft
Freihandelsabkommen müssen ausgewogen sein und europäische Standards schützen. Offensive Interessen (mehr Exportmöglichkeiten) und defensive Interessen (Schutz vor Importen) sollten gut gegeneinander abgewogen werden. Hier ist jedes Handelsabkommen individuell zu betrachten. Sensible Produkte müssen dabei angemessen geschützt werden. Die bisherige Gestaltung des Mercosur-Abkommens ist abzulehnen, da es diese Ansprüche nicht erfüllt.

Standards für importierte Produkte angleichen
Die hohen europäischen Standards, etwa im Bereich Umwelt, Klima und Verbraucherschutz, müssen bei Handelsabkommen zwingend gewahrt werden. Die EU sollte den klaren Anspruch formulieren, ihre Standards auch international als Maßstab zu etablieren.

Dokumentationspflichten bei Lieferketten reduzieren
Der DBV unterstützt die Forderung, dass in Lieferketten Mindeststandards in Bezug auf Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Natur- und Umweltschutz einzuhalten und Dumping-Importe zu unterbinden sind. Das sollte aber unmittelbar in internationalen Handelsabkommen geregelt werden, sodass nicht konform hergestellte Produkte gar nicht erst auf den EU-Markt gelangen könnten. Die Umsetzung über ein europäisches Lieferkettengesetz oder der Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten bedeuten zusätzliche erhebliche Bürokratielasten für kleine und mittlere Unternehmen, die bei der Umsetzung in der EU verbindlich ausgeschlossen werden müssen.

Herkunftskennzeichnung und geschützte Ursprungsbezeichnungen durchsetzen
Der EU-Geoschutz mit seinem geschützten Ursprung (g. U.), der geschützt geografischen Angabe (g. g. A.) und der garantiert traditionellen Spezialität (g. t. S.) muss in neue Handelsabkommen aufgenommen werden und bei bestehenden Abkommen nachverhandelt werden. Auch sollte eine klare Herkunftskennzeichnung für alle importierten Landwirtschafts- und Lebensmittelprodukte eingeführt werden, um die Transparenz beim Ursprung von Erzeugnissen zu erhöhen.

Der DBV fordert:

  • Die Durchsetzung europäischer Umwelt-, Tierschutz- und Lebensmittelsicherheitsstandards über entsprechende Instrumente in Handelsabkommen oder in europäischer Gesetzgebung
  • Eine ausgewogene Handelspolitik, die auch neue kaufkräftige Absatzmärkte erschließt
  • Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für alle importierten Produkte
  • Die Vermeidung von zunehmender Bürokratie und Dokumentationspflichten im Zusammenhang mit Lieferketten

Neue Märkte und Chancen für die Landwirtschaft eröffnen

Die Land- und Forstwirtschaft hat eine große Verantwortung für die Ressourcen, mit denen sie wirtschaftet. Dazu gehören insbesondere der Boden, das Wasser und die Luft. Bei der Erzeugung erneuerbarer Energien leisten die Land- und Forstwirtschaft und die ländlichen Räume bereits einen wichtigen Beitrag, der weiter ausgebaut werden muss. Hier gilt es, auf europäischer Ebene einen Rechtsrahmen zu schaffen, der dies ermöglicht.

Land- und Forstwirtschaft sind Grundlage der Bioökonomie
Die Land- und Forstwirtschaft erzeugt neben Nahrungsmitteln auch nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien. Europa ist für die Zukunft auch deshalb auf diese nachhaltig erzeugten Rohstoffe angewiesen, um seine Ressourcenabhängigkeit weiter zu reduzieren. Einen signifikanten Beitrag zur europäischen Kreislaufwirtschaft könnten die Landwirtinnen und Landwirte zum Beispiel bei Bau- und Dämmungsmaterialien, Textilien und Verpackungsmaterialien leisten.

Der DBV fordert:

  • Den Erhalt von Landwirtschaftsflächen europaweit gewährleisten und den Netto-Flächenverbrauch in der EU bis 2035 auf null bringen
  • Den Vorrang multifunktionaler Landnutzung insgesamt bei Planungen, Projekten und Maßnahmen umsetzen sowie auf pauschale Stilllegungspläne gerade in der Land- und Forstwirtschaft verzichten
  • Die Erzeugung und Nutzung von Biomasse und Bioenergie im Rahmen einer europäischen Bioökonomiestrategie fördern – dabei muss ein Vorrang für die multifunktionale landwirtschaftliche Nutzung von Flächen festgeschrieben werden
  • Der Komplexität von landwirtschaftlichen Anbausystemen gerecht werden und die vielfältige Nutzung von Biomasse über Lebensmittel, Futtermittel, stoffliche und energetische Verwendung ermöglichen – Koppelprodukte und Nutzungskaskaden sind Lösungsansätze
  • Den Green Deal im Bereich Holz als Energieträger und Baustoff mit Leben füllen und eine Europäische Holzbau- und Restholznutzungsinitiative auf den Weg bringen

Attraktivität des Landes als Wirtschafts- und Lebensraum erhöhen

Die ländliche Entwicklung ist ein Schlüsselbereich der europäischen Politik, der zur Wettbewerbsfähigkeit der ländlichen Gebiete und zur langfristigen Nachhaltigkeit des Agrarsektors beiträgt. Die Land- und Ernährungswirtschaft mit ihren Wertschöpfungsketten im vor- und nachgelagerten Bereich ist von zentraler besonderer Bedeutung für die Ökonomie der ländlichen Räume. Die Politik zur Entwicklung der ländlichen Räume steht vor großen Herausforderungen insbesondere durch den demografischen Wandel und aufgrund von Transformationsprozessen in den Sektoren Ökonomie, Mobilität, Energie, Klima. Gleichzeitig bietet sie aber auch die notwendigen Instrumente, um die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft, die Ernährungssicherung, die Bewirtschaftung in Gebieten mit naturbedingten Benachteiligungen, die nachhaltige Waldbewirtschaftung, die biologische Vielfalt und die Diversifizierung zu sichern und weiterzuentwickeln.

Zukunftsperspektiven für die ländlichen Räume erhalten
Der Generationswechsel im Agrar- und Forstsektor stellt eine große Herausforderung dar. Die künftige Politik zur Entwicklung der ländlichen Räume muss durch einen soliden europäischen Haushalt und angemessenen Budgets für die vielfältigen Maßnahmen unterstützt werden. Nur so können eine nachhaltige Entwicklung des Agrarsektors und seine Wettbewerbsfähigkeit sichergestellt werden und die Attraktivität der ländlichen Räume für junge Menschen gesichert und erhöht werden. Der DBV fordert von der nächsten Europäischen Kommission ein starkes Bekenntnis zu Junglandwirten und zur Zukunft des ländlichen Raums.

Standortfaktoren Digitalisierung und Infrastruktur
Die ländlichen Räume stehen im Mittelpunkt eines europäischen Modells und die Weiterentwicklung spielt eine entscheidende Rolle. Dabei ist die Digitalisierung zu einer der zentralen Stellschrauben für die sozio-ökonomische Entwicklung von Regionen und Unternehmen geworden. Auch Infrastrukturen und Dienstleistungen in den Bereichen Wohnen, Bildung, Alltagsversorgung, Arbeitsmarkt, Mobilität, Tourismus, medizinische Versorgung und soziale Teilhabe sowie die Ehrenamtsförderung spielen eine elementare Rolle. Die Vielfalt ländlicher Räume in Europa verlangt zudem regional angepasste Lösungswege.

Der DBV fordert:

  • Eine stärkere Förderung von Investitionen, Innovationen, Bildung und Beratung in der 2. Säule der GAP
  • Stärkere Unterstützung für Junglandwirte und Existenzgründungen und verbessertes steuerliches Umfeld für junge Unternehmerinnen und Unternehmer
  • Eine konsistente Digitalisierungsstrategie und eine Beschleunigung beim Ausbau der digitalen Infrastruktur in ländlichen Räumen
  • Erhaltung lebendiger Gemeinschaften, Förderung von Ehrenamt und internationalem Austausch

Zugang zu Finanzierung für landwirtschaftliche Betriebe sichern

Der DBV fordert, dass die nachhaltige Finanzstrategie der Europäischen Kommission der Landwirtschaft den breiten Zugang zu Investitionen ermöglicht. Integraler Bestandteil der Strategie ist die Umlenkung von Investitionen in nachhaltigere Technologien und Unternehmen sowie Nachhaltigkeitsanforderungen im Bankensektor, um Klima- und Umweltziele zu erreichen.

Angleichung an bestehende Rechtsrahmen
Der DBV unterstützt umsetzbare Initiativen, die zur Erreichung dieser Ziele beitragen und fordert die Kommission auf, die Anforderungen der GAP in die anstehenden technischen Prüfkriterien im Rahmen der Taxonomie-Verordnung zu integrieren. Die deutsche/europäische Land- und Ernährungswirtschaft verfolgt das Ziel, den nachhaltigen Wandel zu unterstützen und kann dies nur leisten, wenn kontinuierlich Finanzmittel und Investitionsmöglichkeiten allen Landwirten zur Verfügung stehen.

Diskriminierung von einzelnen Betriebsmitteln verhindern
Ein substanzielles Risiko besteht insofern, als dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Düngemitteln, Antibiotika und anderen Betriebsmitteln sowie der Betrieb von landwirtschaftlichen Maschinen pauschal als erheblich schädigend eingestuft werden und somit der großen Mehrheit der Landwirtinnen und Landwirte den Zugang zu Finanzierung erschweren könnte. Mit Blick auf den bereits erreichten Fortschritt aber auch die politischen Ambitionen des Green Deals sollten nachhaltige Finanzinvestitionen in der Landwirtschaft gefördert werden.

Der DBV fordert:

  • Zugang zu Finanzmitteln und Investitionsmöglichkeiten für die Landwirtschaft zu angemessenen und wettbewerbsfähigen Konditionen erhalten
  • Keine zusätzlichen Dokumentations- und Zertifizierungspflichten für landwirtschaftliche Betriebe zum Nachweis der Nachhaltigkeitsanforderungen
  • GAP-Anforderungen als Grundlage für die technischen Prüfkriterien
  • Keine Diskriminierung von Ställen, Betriebsmittel- und Maschineneinsatz, die für den operativen Betrieb unersetzbar sind