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Bernhard Krüsken
Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes
Foto: Breloer/DBV

... der zurückliegenden Jahrzehnte. Die gesamte deutsche Landwirtschaft war auf den Beinen oder auf dem Schlepper, viele Spediteure, Handwerker und Bürger haben uns unterstützt und mitgemacht. Die Proteste waren entschieden, aber friedlich und demokratisch. Die Bauern haben sich ihren Protest nicht von Trittbrettfahrern und extremen Randgruppen aus der Hand nehmen lassen, das dümmliche Framing der rechten Unterwanderung hat nicht funktioniert. Auch das mediale Echo war bisher beispiellos; die Proteste haben ein Allzeithoch bei der Medienpräsenz von sämtlichen Themen rund um Landwirtschaft ausgelöst. Das gilt auch für die politische Wahrnehmung der Probleme und Herausforderungen, mit denen viele Landwirte konfrontiert sind. Die Proteste haben also vieles bewegt, für die bisherige Erfolgsbilanz gilt: Das Glas ist halb voll.

Was zu tun ist
Auch wenn die Ampelkoalition zurückgerudert ist und einen Teil der Pläne zurückgenommen hat, muss noch mehr passieren, nicht nur bei Fragen der Kraftstoffbesteuerung in der Landwirtschaft. Die Forderungen sind in einem offenen Brief an den Bundeskanzler niedergelegt, als da sind:
- eine für die Landwirtschaft tragfähige Lösung beim Agrardiesel,
- steuerliche Entlastungen und Maßnahmen zur Stärkung des einzelbetrieblichen Risikomanagements,
- eine Steuerbefreiung für den Einsatz von nicht fossilen Kraftstoffen in der Landwirtschaft,
- ein Auflagenstopp für die Landwirtschaft in Verbindung mit einem Programm zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Binnenmarkt und
- eine ernst gemeinte und wirksame Initiative zur Entbürokratisierung auf nationaler und europäischer Ebene.

Politische Zusagen in konkrete Maßnahmen umsetzen
Was definitiv keinen Sinn macht, sind weitere Stuhlkreise mit allen möglichen relevanten und nicht relevanten Gruppen, in denen das gleiche allgemeine agrarpolitische (und ergebnislose) Palaver der zurückliegenden Jahre wiederholt wird. Es gilt nun in den kommenden Wochen, die gemachten, aber noch nicht sehr präzisen politischen Zusagen in konkrete Maßnahmen umzusetzen. Außerdem wird die Landwirtschaft sichtbar bleiben, weniger mit weiteren großen Schlepperdemos, sondern mit intelligenten Aktionen und in der Fläche. Überflüssig zu sagen, dass Blockaden von Autobahnen, Medienhäusern von Lebensmittellogistik oder ähnlichem nicht dazu zählen.

Dialog auf Null zurückgesetzt
Die Reaktionen und Kommentare haben nicht nur die handwerklichen Kardinalfehler beim Versuch der Streichung von Agrardiesel und Kfz-Steuerbefreiung, sondern gleich die konzeptionellen und strategischen Defizite der Ampelkoalition offengelegt. Es bleibt bei der Bewertung dieser einsamen Entscheidung der Koalitionäre (die sehr nach Übernächtigung, Ratlosigkeit und spontaner Improvisation aufgrund von sonstiger Verhandlungsblockade aussieht) ein frustrierender Befund: Der Debatte um die „ökologische Transformation“, Weiterentwicklung oder gar „Fortschrittskoalition“ ist in Sachen Glaubwürdigkeit der Stecker gezogen. Wenn sich die Gelegenheit für einen fiskalischen Raubzug zu Lasten der Landwirtschaft ergibt, greift man doch lieber beherzt zu, frei nach dem bekannten Zitat „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“. Transformation im Dialog mit der Landwirtschaft? Alles hohle Rhetorik. Darin liegt ein weiterer großer langfristiger Kollateralschaden. Landwirte sollten sich nicht mehr auf irgendwelche Zugeständnisse mit wirtschaftlicher Relevanz einlassen, wenn dieser Politikstil Schule macht. Düpiert ist damit auch das Leuchtturmprojekt Zukunftskommission Landwirtschaft, deren Arbeit nun im luftleeren Raum dasteht und faktisch von der Bundesregierung auf Null gesetzt ist. Transformation ohne ein tragfähiges Finanzierungskonzept gerät eben zur feuilletonistischen Randnotiz.

Keine Kursänderung beim Ordnungsrecht
Nebenbei bemerkt: Beim Ausbau des Ordnungsrechts ist eine Kursänderung der Ampel nicht in Sicht. In Arbeit sind nach wie vor nationale Alleingänge unter anderem beim Tierschutz, beim Pflanzenschutzrecht und bei der Bürokratie für heimische Erzeuger von Rindfleisch, Soja und Holz. Im Unterschied zu anderen Branchen können Landwirte ihr Geschäft nicht ohne weiteres ins Ausland verlagern; man möchte sagen: Du musst im Land bleiben, also wehre Dich täglich.

Bitte keine Ausflüchte
Es wird auch dadurch nicht besser, dass seitens der Bundesregierung die Erledigung anderer unerledigter Hausaufgaben als Ausgleich präsentiert wird. Den sogenannten „Tierwohl-Cent“ muss man in zweierlei Hinsicht kritisch sehen. Zum einen fragt man sich, wie sehr und mit welcher Absicht man die Vorschläge der Borchert-Kommission (zur Finanzierung eines Umbaues der Tierhaltung) missverstehen kann. Zur Erinnerung: Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung hatte sein Konzept auf Tierwohlprämien aufgebaut, auf die der Tierhalter gesichert über einen möglichst langen Zeitraum zugreifen kann – und eben nicht auf einer Steuer, die erst einmal einkassiert wird, ohne dass ein Gedanke an die Weitergabe an die Landwirtschaft verschwendet wird. Zum anderen muss man dem Konzept massive handwerkliche Mängel bescheinigen: Ein Steuerlager lässt sich bei Kaffeebohnen möglicherweise organisieren, aber bei einem Produkt wie Fleisch führt das zu einem bürokratischen Alptraum. Zweiter Denkfehler: Die Erhebung müsste am Point of Sale stattfinden, sonst gerät es bei den derzeitigen Machtverhältnissen in der Kette zu einem Nullsummenspiel für die Tierhalter. Zur Klarstellung: Natürlich brauchen wir eine geeignete Finanzierung für den Umbau zu höheren Tierwohlstandards, weil diese sonst nicht stattfinden, allerdings nicht als Alibi-Ausgleich oder Alibi für die Agrardiesel-Steuererhöhung. Dieser Vorschlag aber ist ein Beispiel für ein sehr deutsches Verhaltensmuster: erst einmal eine Steuer einführen, ordentlich kontraproduktive Bürokratie hinstellen und dann mal sehen, wofür das eigentlich gut sein soll. Aber vielleicht wollen die Urheber dieses Vorschlags gar nicht, dass Finanzierung von Tierwohlumbau gelingt und wir haben hier ein subtil-anarchistisches Manöver vor uns, mit dem man eine unerledigte und unliebsame Hausaufgabe loswerden will. Zum Karneval würde es jedenfalls passen.