25.01.2023

Die Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland suchen entschlossen nach neuen Geschäftsmodellen, um ihre Betriebe für die Zukunft zu rüsten. Sie thematisieren und hinterfragen dabei offensiv auch problematische Haltungen in der eigenen Branche. Das sind zwei der zentralen Botschaften des Fachforums „Zukunftsbauer“ des Deutschen Bauernverbandes (DBV), das gestern im Rahmen der Internationalen Grünen Woche (IGW) in Berlin stattfand.

DBV-Präsident Joachim Rukwied unterstrich die Entschlossenheit des Verbandes, sich auch selbstkritisch aktuellen Herausforderungen zu stellen: „Wir wollen und müssen vor dem Hintergrund eines tiefgreifenden Wertewandels in unserer Gesellschaft neue Antworten finden. Dazu gehört es, das eigene Selbst- und Rollenverständnis in der Gesellschaft zu thematisieren und die Kommunikation zu stärken. Unser ‚Projekt Zukunftsbauer‘ betrifft jeden Hof sowie alle Ebenen unserer Verbandsarbeit und soll dazu beitragen, eine Verjüngung des Ehrenamts zu fördern. Was aus meiner Sicht perspektivisch ebenso dazu gehört, ist das Bekenntnis der Politik zum Zukunftsbauern. Die Bäuerinnen und Bauern der Zukunft werden weiterhin ihrer zentralen Rolle als Erzeuger von Nahrungsmitteln gerecht werden, immer stärker aber auch als Energiewirte arbeiten und ihr Einkommen als Schützer der Artenvielfalt erzielen.“

Einen Schwerpunkt des Fachforums bildete der Vortrag von Jens Lönneker, Psychologe und Geschäftsführer der Marktforschungsagentur Rheingold Salon, der Erkenntnisse aus seiner 2022 veröffentlichten Studie „Zukunfts-Bauer" vorstellte. Danach lebten die in der Landwirtschaft tätigen Menschen heute weitgehend isoliert von anderen Gesellschaftsgruppen in einer eigenen Parallelwelt, kommunizierten überwiegend in ihrer eigenen „Agrarblase“. Das Fehlen von Kontakten führe zu Unwissenheit über die Lebenswelten und Werte der jeweils anderen Gruppe – ein perfekter Nährboden für Vorurteile und Zerrbilder. Um die in Teilen der Gesellschaft existierenden negativen Bilder über Landwirtschaft zu entkräften und mittelfristig durch positive Bilder zu ersetzen, empfahl Lönneker der Branche eine neue Kommunikation. Diese solle die Beiträge der Landwirtschaft zur Lösung gesamtgesellschaftlich relevanter Themen, wie z. B. Tierwohl, Klimawandel und biologische Artenvielfalt, aufgreifen. Er merkte jedoch an, dass es hierfür deutlich höherer Ressourcen bedürfe als gegenwärtig von der Branche aufgebracht werden würden, wenn die Landwirtschaft medial durchdringen wolle.

Das Panel des Fachforums diskutierte Wege, wie die konzeptionellen Neuansätze innerhalb der Landwirtschaft kommuniziert und weiterentwickelt werden könnten. Susanne Schulze Bockeloh, Vizepräsidentin des Deutschen Bauernverbandes und im Präsidium des DBV zuständig für das Projekt Zukunftsbauer, betonte: „Landwirtschaft ist eine Zukunftsbranche, und als Landwirtschaft haben wir die Chance wie auch die Verpflichtung, an der Zukunft unseres Landes mitzubauen. Wir wollen Landwirtschaft und Gesellschaft wieder näher zusammenbringen. Heute wird unsere Branche von zu vielen Menschen als ‚Teil des Problems‘ gesehen, künftig wollen wir in vielen Bereichen ein wertgeschätzter ‚Teil der Lösung‘ sein.“

Claus Hartmann, Mitglied der DBV-Arbeitsgruppe Zukunftsbauer und Landwirt aus Niedersachsen, stellte fest: „Beim Zukunftsbauern geht es darum, dass jeder für sich und der Berufsstand gemeinsam neue Wege findet, um Veränderungen mitzugestalten und für sich als Chance zu nutzen. Ein Ziel muss sein, dass Familien und Betriebe besser und erfolgreicher individuelle Lösungen finden und verwirklichen können.“

Hierbei spielten nach Ansicht der Podiumsmitglieder die unterschiedlichen Lebensläufe und betrieblichen Strukturen in der Landwirtschaft in Ost und West nur eine untergeordnete Rolle. Ines Wendt, Landwirtin aus Sachsen und ebenfalls Mitglied der DBV-Arbeitsgruppe Zukunftsbauer, fasste diese Sicht knapp und einprägsam zusammen: „Das traditionelle Bild des Landwirts als Ernährer der Bevölkerung darf und soll weitergelebt werden, es wird jedoch nicht mehr das alleinige bleiben. Der Zukunftsbauer ist eine Haltung und hat kein bestimmtes Geschlecht oder Alter!“