Während der Koalitionsvertrag einige wichtige Entlastungen für die Landwirtschaft in Aussicht stellt, gibt es auch solche, die im Koalitionsvertrag gar nicht erst aufgeführt werden. Auch eine große Zahl unpräzise formulierter Absichtsbekundungen und offener Prüfaufträge lässt aufhorchen, ob die neue Regierung den dringend notwendigen Politikwechsel einleiten wird. Die Experten des DBV haben den Koalitionsvertrag unter die Lupe genommen und bewerten für zentrale Themen der Landwirtschaft, was auf die Bauernfamilien in der 21. Legislaturperiode zukommt.

 

Bürokratieabbau: klare Absichtsbekundung
Die neue Koalition hat sich dem von der Vorgängerregierung angestoßenen Prozess zum Bürokratieabbau angenommen und möchte es laut Koalitionsvertrag besser machen. Vorgesehen ist eine Neubewertung der knapp 200 eingereichten Vorschläge der Länder, die sie dem Bund infolge der Bauernproteste Anfang des Jahres 2024 unterbreitet hatten. Diese wurden von der Vorgänger-Regierung zwar bewertet, jedoch fehlte es bis zum Schluss an der erhofften tiefergehenden Auseinandersetzung. Es bleibt abzuwarten, ob diese Neubewertung eine tatsächliche Verschlankung der Prozesse und damit auch eine spürbare finanzielle und personelle Entlastung für die landwirtschaftlichen Betriebe bewirken wird. 

Wettbewerb/ Wertschöpfungskette: auf die konkreten Maßnahmen kommt es an
Die Landwirtschaft hat seit Jahren mit Wertschöpfungsverlusten zu kämpfen. Die Ursachen hierfür sind vielfältig, die wettbewerbsschädliche Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel trägt hierzu jedoch einen erheblichen Teil bei. Die Erzeuger sind der hohen Nachfragemacht der stark konzentrierten Unternehmen ausgesetzt. Den bestehenden ungleichen Kräfteverhältnissen innerhalb der Lebensmittellieferkette konnte bis heute nichts entgegengesetzt werden. 

Der DBV begrüßt, dass die neue Regierungskoalition diesen Konflikt aufgreift und einen „Wettbewerb mit fairen Erzeugerpreisen im Lebensmittelmarkt ermöglichen“ möchte. Der Verweis auf die Unterstützung der anstehenden Evaluierung der UTP-Richtlinie und das Bekenntnis zur Steigerung des Agrarexports, gerade auch durch Unterstützung kleinerer und mittlerer Unternehmen, sind zwar positiv zu bewerten, doch bleibt abzuwarten, welche konkreten Maßnahmen veranlasst werden. 

Unklar bleibt außerdem, wie die Einführung einer unabhängigen und weisungsfreien Ombudsperson die Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken verbessern kann. Nach Ansicht des DBV braucht es strengere Regelungen innerhalb der UTP-Richtlinie bzw. des AgrarOLkG, um das Verbot der unlauteren Praktiken wirkungsvoller zu gestalten. Die Abschaffung des Umsatzstufenmodells und der Einteilung der Verbote in eine graue und schwarze Liste können die Wirkungskraft des Instruments verbessern. Ein weiteres Organ kann der Zurückhaltung der Erzeuger, die Nachteile befürchten, wenn sie gegen die Praktiken ihrer Abnehmer vorgehen, nicht gegensteuern. Sinnvoller ist hier die Einführung einer Beweislastumkehr. 

Kartellrechtliche Privilegierung auf Erzeugerebene erforderlich
Wichtig ist, nicht nur die Symptome ungleicher Wettbewerbsverhältnisse zu bekämpfen. Eine angemessene Wertschöpfung der Erzeuger kann nur erreicht werden, wenn gleichzeitig auch die Ursachen angegangen werden. Der DBV hält daher weitere kartellrechtliche Privilegierungen auf der Erzeugerebene für notwendig. Eine Stärkung von Erzeugerorganisationen durch mehr Befugnisse und höhere Bündelungsgrenzen kann echte Gegengewichte zum Lebensmitteleinzelhandel schaffen. Zudem müssen Zusammenschlüsse der Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels kartellrechtlich noch strenger kontrolliert werden. 

Neuausrichtung beim Netzausbau: wichtige Erfolge für die Land- und Forstwirtschaft
Mit dem Koalitionsvertrag nimmt der Netzausbau in Deutschland eine neue Richtung. Viele der im Koalitionsvertrag verankerten Punkte greifen zentrale Forderungen des DBV auf. Die Koalitionäre haben sich darauf verständigt, den tatsächlichen Bedarf für den Stromnetzausbau umfassend zu überprüfen. Bis zur Sommerpause 2025 soll ein Monitoring den Stromverbrauch, den Ausbau der erneuerbaren Energien, die Versorgungssicherheit sowie Themen wie Digitalisierung und Wasserstoffhochlauf analysieren. Ziel ist eine Netzinfrastruktur, die bezahlbar, effizient und sicher ist. Dabei werde ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt: Der Netzausbau soll künftig im Zusammenspiel mit Kraftwerksstrategie, Speichern und mehr Flexibilität erfolgen. 

Freileitungen statt Erdkabel – Erfolg für den DBV
Ein zentrales Anliegen des DBV wurde erfolgreich in den Koalitionsvertrag eingebracht: Der Vorrang für Erdkabel beim Bau neuer Höchstspannungstrassen soll abgeschafft werden. Stattdessen sollen Freileitungen der Regelfall werden. Besonders betroffene Regionen sollen dabei jedoch berücksichtigt werden. Dies ist nicht nur eine Kostenfrage, sondern auch ein Gewinn für den Bodenschutz und die Schonung landwirtschaftlicher Flächen. 

Erleichterungen bei Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für Klima- und Umweltschutzprojekte
Laut Koalitionsvertrag soll bei Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz sowie zur Klimaanpassung die Notwendigkeit des naturschutzrechtlichen Ausgleichs reduziert werden. 

Der DBV setzt sich dafür ein, dass der naturschutzrechtliche Ausgleich für sämtliche Projekte der Energiewende, des Umwelt- und des Klimaschutzes im Bundesnaturschutzgesetz vollumfänglich entfällt. Für das sogenannte „Klimaneutralitätsnetz“ wären damit Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen entbehrlich. Dies würde auch dazu führen, dass die Netzbetreiber zumindest auf der Suche nach A+E-Flächen nicht mehr als Akteure auf dem Bodenmarkt auftreten würden. 

Der DBV hat sich mit Nachdruck für Verbesserungen bei Entschädigungsgrundsätzen und für den Schutz von Böden und Eigentum eingesetzt. Dass viele dieser Anliegen jetzt im Koalitionsvertrag aufgenommen wurden, zeigt, dass das beharrliche Adressieren der berufsständischen Forderungen Früchte getragen hat. 

Wichtig ist jetzt, dass die politischen Einigungen auch zügig in konkrete Gesetze und Regelungen umgesetzt werden – etwa im Bundesbedarfsplangesetz. Der DBV wird sich dafür weiterhin stark machen, damit der Netzausbau nachhaltig im Sinne der Land- und Forstwirtschaft gestaltet wird. 

„Der Koalitionsvertrag enthält wichtige Weichenstellungen, die wir als Erfolg für die Landwirtschaft werten. Der Vorrang für Freileitungen statt teurer und bodenbeeinträchtigender Erdkabel ist ein Meilenstein, für den wir lange gekämpft haben. Ebenso begrüßen wir die angekündigte Überprüfung des tatsächlichen Netzausbaubedarfs – endlich soll sich der Ausbau an der Realität orientieren und nicht an überholten Annahmen. Besonders wichtig für unsere Bäuerinnen und Bauern ist auch die Entlastung bei Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen: Wer zum Gelingen der Energiewende beiträgt, darf nicht noch auf dem Bodenmarkt belastet werden. Jetzt erwarten wir, dass die Politik zügig liefert und diese wichtigen Punkte in Gesetzesänderungen überführt.“
Dr. Holger Hennies, Vorsitzender des DBV-Fachausschusses Agrarrecht 

Steuerliche Entlastungen und Stärkung des einzelbetrieblichen Risikomanagements
Im Fokus der Steuerpolitik muss die langfristige Fortführung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe sein. Zugleich ist das Management von Risiken in der Land- und Forstwirtschaft die zentrale Zukunftsaufgabe und muss in der steuerlichen Gestaltung unbedingt besser berücksichtigt werden. Nach der im letzten Jahr umgesetzten Verlängerung der Tarifglättung ist zu begrüßen, dass nun endlich die Möglichkeit für eine Risikorücklage realisiert werden soll. Diese muss steuerfrei und ohne zusätzliche Hinterlegung möglich gemacht und schnell umgesetzt werden. Auch die angekündigte 30%ige degressive Abschreibung innerhalb der nächsten 3 Jahre ist für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe ein guter und notwendiger Investitionsanreiz. Jedoch sind zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe weitere steuerliche Maßnahmen flankierend unverzichtbar, wie beispielsweise die Entfristung der Tarifglättung, die Erweiterung der IAB-Inanspruchnahme und Sonderanschreibung § 7g EStG durch Anhebung der Gewinngrenze, erweiterte Reinvestitionsmöglichkeiten nach § 6b EstG. 

Zudem müssen die Rahmenbedingungen für die Umsatzsteuerpauschalierung endlich wieder realitätsgerecht abgebildet werden. Neben der Anhebung der Umsatzgrenze auf 800.000 EUR muss auch die Berechnungsmethode des Pauschalierungssatzes korrigiert und die realitätsgerechte Vorsteuerbelastung sichergestellt werden. Die Pauschalierung ist ein Vereinfachungsinstrument und steht für dringend erforderlichen Bürokratieabbau und Entlastung. Hier bedarf es eines klaren Bekenntnisses der neuen Regierung mit praxistauglichen Rahmenbedingungen. 

Auch die Landwirte sind Teil der notwendigen Energiewende. Für eine größere Akzeptanz bedarf es endlich entsprechender steuerlicher Rahmenbedingungen. So müssen Flächen, die für Erneuerbare-Energie-Anlagen genutzt werden (wie für PV-Anlagen, Windenergieanlagen, Batteriespeicher) bewertungsrechtlich zum landwirtschaftlichen Vermögen zugeordnet werden, um steuerliche Nachteile zu vermeiden. 

Nutztierhaltung: dringend nötiges Bekenntnis zur Tierhaltung
Das Bekenntnis zur Tierhaltung ist zu begrüßen. Ebenso ist der Bestandsschutz von mindestens 20 Jahren bei Neu-/Umbauten ein wichtiges positives Signal für die Tierhalter. Gebraucht werden aber auch Zukunftsperspektiven für Stallbauten, die nicht in Haltungsform 3 oder 4 wechseln. Die Prüf- und Zulassungsverfahren für Stallsysteme müssen endlich praxistauglich gestaltet werden. Dies erfordert jetzt umgehend notwendige Anpassungen im Bau- und Umweltrecht. Insbesondere das Immissionsschutzrecht muss zügig angepackt und umgesetzt werden. Der langfristige Bestandsschutz muss auch für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen gelten.

Autoren: Johanna Trösken, Christopher Drees und RAin Annett Brinckmann