1. Grundsätzliche Bewertung

Der Deutsche Bauernverband unterstützt die EU-Kommission darin, das EU-Lebensmittelsystem nachhaltig zu gestalten. In dieser Stellungnahme konzentrieren wir uns vor allem auf den Bereich der Nachhaltigkeitskennzeichnung von Lebensmitteln. Wir fordern hierzu eine europäische Rahmengesetzgebung, die sowohl Frischware als auch verarbeitete Ware beinhaltet. Die Kennzeichnung muss verpflichtend sein. Ein Nachhaltigkeitskennzeichensystem muss handelspolitisch flankiert sein, um Produktionsverlagerungseffekte zu vermeiden.

Im Folgenden stellen wir unsere (nicht abschließenden) Überlegungen für ein Kennzeichensystem vor:

2. Nachhaltigkeitskennzeichensystem

Bei der Konzeption eines Nachhaltigkeitskennzeichensystems muss darauf geachtet werden, dass bei möglichen Zielkonflikten nicht für die europäische Erzeugung unerwünschte Einstufungen resultieren. Zielkonflikte existieren z.B. zwischen Tierwohl & Extensivierung versus Klimaeffizienz oder Luftreinhaltung. Insofern sollte z.B. eine alleinige Fixierung auf den Kohlenstofffußabdruck vermieden werden. Vielmehr müsste eine kleine, aber sehr relevante und aussagekräftige Anzahl an Kriterien identifiziert werden, anhand derer die Nachhaltigkeit eines Produktes abgeleitet werden kann. Der Deutsche Bauernverbverband spricht sich zum jetzigen Zeitpunkt im Einzelnen konkret für folgende, verpflichtende Kennzeichensysteme aus:

Herkunftskennzeichnung

  • Wir setzten uns für eine verpflichtende und sowohl für Frischware als auch für verarbeitete Ware geltende Herkunftskennzeichnung auf nationaler und/oder regionaler, ggf. auf europäischer Ebene ein.
  • Die Kennzeichnung muss die Möglichkeit bieten, dass nationale, regionale und private Regelungen neben einer möglichen EU-Kennzeichnung bestehen können.
  • Die Kennzeichnung muss klar zwischen EU- und Nicht-EU-Produkten unterscheiden (z. B. durch unterschiedliche Farben).

Haltungskennzeichnung für tierische Erzeugung

  • Wir setzen uns für eine verpflichtende und sowohl für Frischware als auch für verarbeitete Ware geltende Haltungskennzeichnung auf europäischer Ebene ein. Diese kann national flankiert werden.
  • LW/Verarbeiter/Händler aus einem Mitgliedstaat dürfen ebenso mit eigenen Labeln/Standards auf den Markt eines anderen Mitgliedstaates liefern, sofern sie die Anforderungen der jeweiligen nationalen Stufen erfüllen, d.h. gegenseitige „Anerkennung“ von Labeln/Programmen innerhalb der EU und auch global

Ökonomie | Erzeugerseite stärken | Wertschöpfung in der Kette

  • Um die ökonomische Situation der Erzeuger zu verbessern, werden stabile rechtliche Rahmenbedingungen benötigt.
  • Es reicht nicht aus, auf auf Freiwilligkeit basierende Kennzeichensysteme zu setzen. Durch die verpflichtende Kennzeichnung muss das gesamte Preisgefüge gekennzeichneter Ware angehoben werden.
  • Dafür benötigten die Konsumenten einfach zu verstehende und verlässliche Informationen.
  • Die zusätzliche Wertschöpfung muss die höheren Produktionskosten gekennzeichneter Ware mindestens kompensieren.

3. Handelspolitische Flankierung

Im Sinne der „Open strategic autonomy“, der neuen Handelsstrategie der EU-Kommission, muss die Transformation der Lebensmittelsysteme handelspolitisch flankiert werden, um Produktionsverlagerungseffekte in Drittländer zu vermeiden.

  • Für eine nachhaltige Landwirtschaft ist es existenziell, dass im Agrarhandel vergleichbare Mindestregeln im Umwelt-, Klima- und Tierschutz befolgt werden. Das ist heute bei vielen Ländern bzw. Handelsabkommen nicht bzw. nur eingeschränkt der Fall.
  • Die heimische Erzeugung wird tendenziell durch Agrarimporte zu Dumping-Standards verdrängt. Auf diesen „Leakage-Effekt“ zu Lasten von Verbrauchern, Landwirten und Umwelt hat die EU-Handelspolitik bisher keine ausreichende Antwort gefunden.
  • Lebensmittel und Agrargüter, welche mit in der EU verbotenen Substanzen oder Verfahren hergestellt wurden, dürfen nicht in die EU eingeführt werden. Dies muss ebenfalls in Handelsabkommen abgesichert werden.
  • Es sollten generell Instrumente und Mechanismen entwickelt werden, welche die Differenzen zwischen internationalen und europäischen Umwelt-, Klima- und Tierwohlstandards sowie unterschiedlichen Produktionsauflagen ausgleichen. Bis dahin bleibt in der EU ein Ausgleich über Direktzahlungen grundsätzlich notwendig.