Bewertung des Vorschlages

  • Der Deutsche Bauernverband begrüßt den Vorstoß der Kommission, den Konsum von Produkten aus entwaldungsfreien Lieferketten in der EU zu fördern und zu gewährleisten, dass insbesondere EU-Importe von Agrarrohstoffen nicht zur Entwaldung beitragen.
  • Allerdings gesteht die Kommission mit diesem Schritt das eigene Scheitern ein, Nachhaltigkeitsstandards in der europäischen Außen- und Handelspolitik zu verankern. Stattdessen sollen staatliche Schutzaufgaben durch Vorgaben an die Wirtschaft gewissermaßen privatisiert werden. Dieser Weg bürdet Wirtschaftsunternehmen und Landwirten nicht nur zusätzliche Bürokratie, sondern auch erhebliche Rechtsunsicherheiten auf, ohne dass eine angemessene Lenkungswirkung gewährleistet wird.
  • Die moderne globale Agrarwirtschaft ist ein arbeitsteiliges strukturiertes System, in dem spezifische Standortvorteile genutzt werden. Vor diesem Hintergrund importieren heimische Landwirte bspw. Eiweißfuttermittel, die unter hiesigen Bedingungen nur erschwert erzeugt werden können. Diesem Importbedarf steht aber der Export von Getreide und anderen Produkten entgegen, die an europäischen Standorten mit hoher Flächen- und Klimaeffizienz erzeugt werden können. Diese Arbeitsteilung trägt im Grundsatz zur effizienten Flächennutzung und zur Reduktion von Landnutzungsänderungen bei.
  • Bereits heute stammen weit über 60 % der importierten Sojafuttermittel aus Gebieten mit einem geringen Entwaldungsrisiko. Es ist davon auszugehen, dass dieser Anteil weiter steigen wird. Ein kompletter Verzicht auf importierte Futtermittel erfordert aber den Aufbau und die ausreichende Verfügbarkeit europäischer Alternativen. Ist dies nicht gewährleistet, führt eine solche Regelung lediglich zu Produktionsverlagerung und Leakage-Effekten insbesondere bei tierischen Lebensmitteln. Für den vorliegenden Vorschlag bedeutet das, dass zunächst eine tragfähige europäische Eiweißstrategie etabliert und umgesetzt werden muss.
  • Der vorliegende Verordnungsvorschlag ist geeignet, die wichtigsten negativen Externalitäten des globalen Agrarhandels zu beseitigen, ohne am Grundsatz der offenen Märkte zu rütteln. Allerdings entstehen zusätzliche Bürokratielasten und Haftungsrisiken für die Land- und Agrarwirtschaft.

Forderungen des DBV

  1. Der begrenzte Umfang der im aktuellen Verordnungsentwurf abgedeckten Produkte und Rohstoffe wird kritisch gesehen. Erstens gibt es weitere Rohstoffgruppen, die Entwaldung treiben, und zweitens kann das Entwaldungsverbot durch die Verfütterung von Sojaprodukten in Drittländern und dem Export der tierischen Produkte in die EU umgangen werden.
    Der DBV fordert, neben den geplanten sechs Rohstoffgruppen weitere Produkte aufzunehmen, um die Nachhaltigkeitsanforderungen für den Sektor einheitlich zu setzen. Insbesondere importierter Zucker und Ethanol, Schweine- und Geflügelfleisch sowie Milcherzeugnisse müssen berücksichtigt werden.
     
  2. Die Einhaltung der Nachhaltigkeitsanforderungen muss durch den Erstinverkehrbringer sichergestellt werden. Das gewährleistet einen geringstmöglichen bürokratischen Aufwand bei maximaler Transparenz.
    Der DBV fordert, dass durch Übertragung der Sorgfaltspflicht auf den Erstinverkehrbringer. Die Dokumentations- und Nachweispflichten für die anschließenden Wertschöpfungsstufen entfallen. Dabei muss klargestellt werden, dass heimische Tierhalter nicht haftbar gemacht werden, wenn Sorgfaltspflichtenverletzungen auf vorgelagerten Stufen die versehentliche Verwendung von Futtermitteln aus Entwaldung zur Folge hat.
     
  3. Die aktuelle Risikoklassifizierung setzt zu hohe Anforderungen an Herkünfte mit einem geringen Risiko.
    Der DBV fordert, die Schaffung einer vierten Risikokategorie im Länder-Benchmarking, bspw. „Null-Risiko“, für Länder mit einem im Ordnungsrecht verankerten und gut durchgesetzten Entwaldungsverbot. Für diese Herkünfte sollten dann sämtliche Dokumentationspflichten entfallen. Auch sollte die Risikokategorie der eingesetzten Futtermittel, wenn diese bereits auf dem europäischen Markt in Verkehr gebracht wurden, nicht maßgeblich für die Risikoeinteilung der aus ihnen erzeugten tierischen Veredlungsprodukte sein.
     
  4. Es ist notwendig, einen einheitlichen Referenzzeitpunkt festzulegen, um die Branche zu einem einheitlichen Ambitionsniveau zu verpflichten.
    Der DBV fordert die Festlegung eines Referenzdatums („Cut-off Date“), welcher sich an dem bereits existierenden und fest etablierten Datum 2008 für Biokraftstoffe orientiert.
     
  5. Die Wirtschaft will den Einsatz nachweislich entwaldungsfreier Rohstoffe bereits zeitnah verbindlich machen und möglichst bürokratiearm umsetzen.
    Der DBV fordert, dass die EU-Verordnung klare Anerkennungsmöglichkeiten für eingeführte Zertifizierungen der Agrarwirtschaft schafft, so dass diese Systeme anstelle des durch den Verordnungsentwurf vorgesehenen staatlichen Systems genutzt werden können (sog. Safe-Harbour-Regelung).