Haltung von Milchkühen
Faktencheck Landwirtschaft

Haltung von Milchkühen

Wie geht es eigentlich unseren Milchkühen?

Wie werden unsere Kühe gehalten?

Die Haltung von Milchkühen in Deutschland orientiert sich zunehmend an den Grundbedürfnissen der Tiere. Das wird erreicht durch „Kuhkomfort“ im Stall, modernes Herdenmanagement, die Förderung der Tiergesundheit und einen Zuchtfokus auf die Fitness der Kühe.

Bereits im Jahr 2010 wurde fast drei Viertel der Milchkühe in Deutschland in offenen Boxenlaufställen gehalten1. Dort können sich die Kühe in einer licht- und luftdurchfluteten Atmosphäre frei bewegen und ihr natürliches Herdenverhalten ausleben. Planung und Bau von modernen Laufställen erfolgen heutzutage unter der Prämisse, die Vorteile einer Weide in den Stall zu holen und die Nachteile draußen zu lassen. „Kuhkomfort“ ist ein gängiger Fachbegriff unter Architekten, Stallausrüstern und Milchviehhaltern. Mehr als 40 Prozent der Milchkühe in Deutschland haben Weidegang1. Dabei spielen neben den Bedingungen der einzelnen Betriebe auch die gegebenen Naturräume vor Ort und das Klima eine Rolle. Beispielsweise ist eine Beweidung von Standorten mit Staunässe sowie in Ortschaften nicht möglich. Wichtig ist auch zu wissen, dass sich Kühe bei hohen Temperaturen, Frost und Regen lieber im Stall aufhalten.

Haltungsverfahren bei Milchkühen

   

Wie ist die tiergerechte Haltung geregelt?

Deutsche Landwirte beachten eine Reihe an Vorschriften, die eine tiergerechte Haltung auf höchstem internationalen Niveau gewährleisten. Dazu gehören Regelungen zur Nutztierhaltung, zum Tierschutz, zur Hygiene sowie zum ökologischen Bereich. Zudem entwickelt die deutsche Milchwirtschaft das Qualitätsmanagementprogramm QM-Milch stetig weiter, an dem ungefähr 90 Prozent der deutschen Milchviehhalter teilnehmen.

In Deutschland ist die Anbindehaltung von Milchkühen gesetzlich nicht verboten. In kleineren, ökologisch wirtschaftenden Betrieben ist die Anbindehaltung in Kombination mit Auslauf nach EU-Öko-Recht (Artikel 39 VO (EG) 889/2008) im Rahmen der „Kleinerzeugerregelung“ erlaubt.

Vorschriften für eine tiergerechte Haltung:

Auf europäischer Ebene ist die Richtlinie 98/58/EG über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere relevant. Des Weiteren spielen für den hygienischen Bereich die Verordnungen (EG) 853/2004 sowie (EG) 854/2004 eine wichtige Rolle. National gelten auch das Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Im ökologischen Bereich sind die Verordnungen (EG) 834/2007 und (EG) 889/2008 sowie die Richtlinien der Anbauverbände einzuhalten.

Wie viele Tiere stehen in der Anbindehaltung

Die Anbindehaltung, die in früheren Zeiten in vielen Betrieben die Regel war, geht im Zuge des Generationswechsels und Strukturwandels deutlich zurück. Allein in dem fast zwanzigjährigen Zeitraum von 1995 bis 2013 hat sich die Anzahl der Anbindehaltungen in den Betrieben, die an der Milchleistungsprüfung teilnahmen, bundesweit um mehr als 75 Prozent reduziert2. Seit Jahrzehnten werden Anbindeställe für Milchkühe nicht mehr gebaut.

Aufgrund unterschiedlich gewachsener Strukturen und Standortbedingungen wirtschaften in den kleinstrukturierten Regionen im Süden Deutschlands noch knapp die Hälfte der Milchviehhalter in Anbindeställen. In Bayern waren es im Jahr 2018 rund 40 Prozent der an der Milchleistungsprüfung teilnehmenden Milchviehbetriebe, davon 8 Prozent mit zusätzlichem Auslauf. Im Jahr 2007 haben noch rund 66 Prozent der Milchviehbetriebe die ganzjährige Anbindehaltung praktiziert. Damit hat sich die Zahl der ganzjährigen Anbindehaltungen in Bayern in den letzten zehn Jahren um rund die Hälfte reduziert ³.

   

Die süddeutsche Land- und Milchwirtschaft in Bayern und Baden-Württemberg hat sich intensiv mit dem Thema Anbindehaltung beschäftigt und sich jeweils auf eine Definition einer „Kombinationshaltung“ verständigt. Im Mittelpunkt der Beschreibung der Kombinationshaltung steht der Bewegungsumfang für die Milchkühe. Ziel ist es, die vielen kleineren und mittleren Familienbetriebe, die wesentlich zum positiven Gesamtbild der ländlichen Räume in Bayern und Baden-Württemberg beitragen, auf ihrem Weg von der ganzjährigen Anbindehaltung in zukunftsfähige Haltungsformen zu begleiten.4 Auch in anderen europäischen Ländern werden Milchkühe in Anbindehaltung gehalten. Wie eine im Sommer 2017 durchgeführte Mitgliederabfrage des Europäischen Bauernund Genossenschaftsverbandes in Brüssel zeigte, ist die Anbindehaltung vor allem in Osteuropa üblich. Auch in Schweden wird die saisonale Anbindehaltung praktiziert. Ein alleiniger Ausstieg Deutschlands aus der Anbindehaltung würde für die deutschen Milchbauern zu Wettbewerbsnachteilen innerhalb des europäischen Binnenmarktes führen.

Regionale Bedeutung der geschätzten ganzjährigen Anbindehaltung im Jahre 2010

   

Das Thünen-Institut für Betriebswirtschaft hat Ende 2018 die Folgen eines Verbots der ganzjährigen Anbindehaltung in einer Studie abgeschätzt. Um die negativen Konsequenzen eines Verbots auf die Wirtschaftlichkeit der Betriebe abzumildern, können aus Sicht des Thünen-Instituts verschiedene Fördermaßnahmen eingesetzt werden. Die öffentlichen Finanzmittel für eine flankierende Förderung innerhalb eines Übergangszeitraums von zehn Jahren schätzt das Thünen-Institut auf insgesamt 222 bis 287 Millionen Euro. Aufgrund des gegebenen Strukturwandels geht das Thünen-Institut weiter davon aus, dass die Zahl der ganzjährigen Anbindehaltungen sich bis zum Jahr 2027 auf rund 13.500 Betriebe mit ca. 270.000 Milchkühen reduzieren würde. Bei einer Fortschreibung des Trends würde der Anteil der Milchkühe in ganzjähriger Anbindehaltung bis zum Jahr 2050 auf unter 1 Prozent fallen.

Anzahl der Betriebe mit weniger als 50 Milchkühen in den Jahren 1991-2016 (ab 2017 geschätzt)

    

Was sagt der Deutsche Bauernverband dazu?

Die deutschen Milchbauern stellen sich den gesellschaftspolitischen Anforderungen und der Debatte zum Tierwohl. In der Vergangenheit wurden nach Ergebnissen des Konjunkturbarometers Agrar jährlich zwischen 3 und 4 Milliarden Euro von den Landwirten in den Um- bzw. Neubau von Boxenlaufställen sowie moderne Stalltechnik investiert. Häufig erschweren jedoch räumliche Enge in beengter Ortslage, finanzielle Ausstattung, geringe Aussicht auf die Genehmigungsfähigkeit von Neubauten oder fehlende Planungssicherheiten die Investitionsmöglichkeiten in Laufställe.

Die gesellschaftliche Bedeutung der kleineren Milchviehbetriebe mit Anbindehaltung ist sowohl für die Landschaftspflege als auch für die Bewirtschaftung von Grünland groß. Es sind überwiegend diese Betriebe, die kleinteilige Grünlandflächen, Hanglagen und andere ökologisch wertvolle Grenzstandorte pflegen und erhalten. Damit übernehmen sie unverzichtbare Aufgaben für den Klima- und Bodenschutz sowie für den Erhalt der Artenvielfalt.

Ein kurzfristiger Ausstieg aus der Anbindehaltung würde dazu führen, dass ein Großteil der Familienbetriebe die Milcherzeugung aufgeben muss. Wie die o. a. Studie des Thünen- Instituts gezeigt hat, wären die agrarstrukturellen Konsequenzen für die kleineren Familienbetriebe immens. Eine durch zu hohe Auflagen verursachte Verlagerung der Milcherzeugung ins Ausland wird den Zielen eines hohen Tierschutzniveaus letztendlich nicht gerecht.

Die Umsetzung von Maßnahmen, die über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen, müssen sich letztlich auch im Erzeugerpreis widerspiegeln. Veränderungen sind folglich nur möglich, wenn diese durch die Gesellschaft in ihrer ganzen Breite mitfinanziert werden.

Der Deutsche Bauernverband lehnt in seiner „Erklärung zur Anbindehaltung von Milchkühen“ vom Dezember 2017 ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung ab und spricht sich stattdessen für eine Strategie der positiven Anreize aus. Neben der finanziellen Förderung mit dem Ziel des Laufstallneubaus kommt auch der gezielten Beratung und der Weiterentwicklung bestehender Anbindeställe eine wesentliche Rolle zu. Die Politik muss hier durch entsprechende Rahmenbedingungen unterstützen. Der Deutsche Bauernverband appelliert außerdem an alle Milchviehhalter mit ganzjähriger Anbindehaltung, sich in ihrer betrieblichen Zukunftsplanung mit einer Weiterentwicklung weg von der ganzjährigen Anbindehaltung auseinanderzusetzen.

Quellen:

1Statistisches Bundesamt (2010)
2ADR-Jahresberichte der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter (versch. Jg.): „Rinderproduktion in Deutschland“
3LKV Bayern (2018): Milchleistungsprüfung in Bayern 2018
4Bayerischer Bauernverband, milch.bayern e.V., Verband der Milcherzeuger Bayern e.V. (2019): Das Plus an Tierwohl. Kombinationshaltung Milchwirtschaftlicher Verein Baden-Württemberg e.V. (2019): Kombinationshaltung für Milchkühe in Baden- Württemberg
5Bergschmidt, A. et. al. (2018): Folgenabschätzung eines Verbots der ganzjährigen Anbindehaltung von Milchkühen, Thünen Working Paper 111