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Bernhard Krüsken
Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes
Foto: DBV/Breloer

In diesen Tagen konzentrieren sich die politischen Sorgen der Bauernfamilien auf die Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest, auf die Zukunft der Landwirtschaft und insbesondere der Tierhaltung, auf das Gelingen der GAP-Reform und auf die vielen ordnungsrechtlichen „Baustellen“ nicht nur in den Bereichen Umwelt, Tierwohl, Bauen, Düngung oder Pflanzenschutz. Diese vielen Einzelthemen haben einen gemeinsamen Punkt, wegen dem es lohnt, über das Tagesgeschäft hinaus eine Bestandsaufnahme zur Grundlage unserer Arbeit vorzunehmen: Eigentum und die damit verbundenen Rechts- und Steuerfragen. Dieses Themenfeld dreht sich um Grund und Boden sowie um Eigentum und Nutzungsrechte landwirtschaftlicher Flächen und ist im übrigen auch Schwerpunktthema der Oktoberausgabe der dbk.

Eigentumspolitische Konflikte

Der Kampf um die Fläche ist bekannt und verschärft sich seit langem. Längst geht es nicht nur um Grundstücksverkehrsrecht oder Flächenfraß durch Infrastruktur, Gewerbegebiete, Bebauung oder sonstige Versiegelung. Der Naturschutz beansprucht Flächen, in Gänze oder über vielfältige Formen von Nutzungsbeschränkungen. Losgelöst von der naturschutzfachlichen Bewertung liegt hier ein sehr grundsätzlicher eigentumspolitischer Konflikt, den es auszutragen gilt: Kooperation oder Verbote, Ordnungsrecht bis hin zur faktischen Enteignung oder Förderung und Entschädigung. Wie sehr die Dinge hier „ins Rutschen“ gekommen sind, kann man an einem Beispiel aufzeigen: dem Wolf und seiner Wiederansiedlung.

Wiederansiedlung in fünf Stufen

Die rasante Populationsdynamik und die Mechanismen der Ausbreitung und Bildung neuer Rudel sind bekannt und wirken verlässlich, wie an den ungebremst wachsenden Verbreitungszahlen abzulesen ist. Treten wir einen Schritt zurück und lassen vor diesem Hintergrund in Kurzform nochmal den fünfstufigen Ablauf des Verfahrens zur Wiederansiedlung des Wolfs Revue passieren:

  1. Man verpasst dem Wolf in der Öffentlichkeitsarbeit ein romantisches Image vom stolzen, edlen Wildtier mit optischem Kuschelfaktor: frisst nur Wildtiere, ist scheu, lässt sich von Zäunen abhalten, ist im Bestand gefährdet und so weiter. Dabei achtet man darauf, dass störende wildbiologische Zusammenhänge und Fakten nicht zum Thema werden. Merkwürdigerweise ist diese Art des Framing nur in anderen thematischen Zusammenhängen (RT, US-Wahlkampf, Corona-Maßnahmen-Kritiker u.ä.) gesellschaftlich verpönt, aber hier funktioniert sie ziemlich gut.

  2. Man installiert eine breit angelegte Clusterökonomie rund um den Wolf (Spendensammeln, Patenschaften, Fördergelder, Wolfsrettungsfahrzeuge und ein umfangreiches Wolfsbeauftragtenwesen, natürlich mit steuerfinanzierten Projektstellen, ein florierendes Geschäft mit Herdenschutzhunden).

  3. Rechtliche Vorschriften aus dem Natur- und Artenschutz werden kreativ so uminterpretiert, dass der Wolf faktisch unantastbar wird. Manchmal wird das in Landesregelungen in einer Weise geregelt, die schon subtil anarchistische Qualität erreicht: Steine schmeißen zur Wolfsabwehr ja, aber nur, wenn das Tier nicht verletzt wird. Wenn sich doch einmal eine Gesetzesänderung ereignet, die einen kleinen Eingriff in den Bestand ermöglicht, dann sitzt man sie exekutiv aus und lässt sie in die Leere des zögerlichen und unwilligen Agierens der zuständigen Behörden laufen.

  4. Wenn die unter dem Geschehen leidenden Landwirte und Weidetierhalter sich zu Wort melden, hält man sie hin, vertröstet und wimmelt sie ab: Nachweispflichten, ein Analysenmonopol, dass sich der Kontrolle, Validierung und externen Überprüfung entzieht, schleppende Entschädigungen, Diskussionen, ob es nicht doch ein streunender Hund war, kleine Zuschüsse für absehbar nutzlose Zäune, Vertrösten auf Herdenschutzkonzepte, die die Herden nicht wirklich schützen, endlose Verzögerungen bei der Entnahme derjenigen Nutztierspezialisten unter den Wölfen, die man nun wirklich nicht übersehen kann.

  5. Ganz wichtig sind Kleinreden und Verharmlosen. Man ignoriert das Offensichtliche und sieht am sprichwörtlichen Elefanten im Raum gezielt vorbei: Rudel statt Wölfe zählen, Populationen künstlich aufteilen und mit veralteten veröffentlichten Zahlen kleinrechnen. Zur Kommunikation gehören auch die Shitstorm-Produzenten, die kritische Stimmen zum Wolf im Netz niederbrüllen und sowieso Landnutzer aller Art zum Feindbild haben.  

Wolf verdrängt Weidetierhaltung

Unter diesen Bedingungen und wegen der Abwesenheit natürlicher Feinde sowie der guten Nahrungsgrundlage wächst der Wolfsbestand vorhersagbar exponentiell. Aus jedem Rudel entwachsen regelmäßig Jungwölfe, die wiederum neue Rudel in neuen Territorien gründen. An die neuen Lebensräume passen sich die intelligenten und flexiblen Tiere problemlos an und finden auch ihre Beutetiere, vorzugsweise auf Grünland, da ist es ja nicht so anstrengend. Der Wolfsbestand wächst mit unerbittlicher Automatik aus den geeigneten Habitaten hinaus – es ist nur eine Frage der Zeit, bis die gesamte Republik einschließlich intensiv genutzter Grünlandregionen, ländlicher und urbaner Räume besetzt ist. Genauso ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Weidetierhalter nicht nur in Sachsen und Brandenburg, sondern überall in Deutschland die Lust verlieren, nur Wolfsfutter zu produzieren oder alle Grünlandflächen in Deutschland mit nur scheinbar wolfssicheren Zäunen und Herdenschutzhunden vollzustellen. Grünland wird vermehrt brachfallen, Flächen werden allmählich entwertet. Man könnte dabei tatsächlich den Eindruck gewinnen, dass diese Entwicklung der Flächenbeschaffung für Naturschutzzwecke dienlich ist.

Crash mit Ansage

Ob absichtlich oder unabsichtlich: das Ganze ist ein Crash mit Ansage und nichts anderes als eine neue Form der Landnahme. Hat man die beschriebenen Schritte erfolgreich umgesetzt, dann laufen die Dinge scheinbar von ganz alleine - und die Protagonisten und Antreiber dieser krassen Fehlentwicklung können sich zurücklehnen und sich mit den genannten Ausflüchten und den so geschaffenen Fakten aus der Verantwortung stehlen. Tatsächlich ist es keine Rückkehr des Wolfes, sondern fast schon eine gezielte Wiederansiedlung, die den Wolf in einigen Regionen bereits zum Kulturfolger gemacht hat.

Foto: Gerd Steuding / TBV

Die Wolfsrisse nehmen zu. Eine sichere Weidehaltung wird immer schwieriger.

(Foto: Gerd Steuding / TBV)

Exempel gegen die Kooperation

Natürlich ist das Thema Artenschutz und Artenvielfalt breiter und vielfältiger als die emotional aufgeladene Frage des Umgangs mit dem Wolf. Hier wird aber ein Exempel mit Strahlkraft in einer ignoranten und auch zum Teil arroganten Weise durchexerziert, das nicht nur dazu angetan ist, die Fronten zwischen Landnutzern und Naturschützern dauerhaft verhärten zu lassen, sondern auch ein eigentumspolitisches Skandalon ist. Das darf keine Schule machen.