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Bernhard Krüsken
Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes

Zwar stockt gerade die Ernte in diesen Tagen wegen reichlichen Niederschlägen, das ist aber mit Blick auf den Frühsommer und die zurückliegenden fünf Jahre eine Ausnahmesituation. Dürre und Trockenheit sind seit einigen Jahren fester Bestandteil der sommerlichen Medienarbeit. Aus der sporadischen Sommerloch-Geschichte ist eine Konstante geworden. Die Kommentatoren der Publikumsmedien analysieren andächtig, dass es der Klimawandel ist, der sich hier bemerkbar macht - und der Medienkonsument staunt - ja ja, der Klimawandel, schlimme Sache – und springt von der kurzfristigen medialen Aufgeregtheit zur nächsten Krise. Landwirte sind davon aus gutem Grund genervt, denn erstens sprengt das Thema das Tagesgeschäft und ist existenziell und zweitens sind sie es, die mit diesen drastischen Veränderungen umgehen und konkrete Lösungen für ihre Betriebe und Standorte finden müssen.

Handlungsbedarf bei Klimaanpassung
Die Verschiebungen in der Wasserbilanz sind tiefgreifend; langjährig tendenziell abnehmende Niederschlagsmengen treffen auf höhere Verdunstungsraten und das Ganze beziffert sich auf deutlich zweistellige prozentuale Veränderungen. Dass zu den Extremwetterereignissen nicht nur Dürre, sondern auch Starkregen zählt und dass noch erhebliche regionale Unterschiede hinzukommen, muss hier nicht weiter ausgeführt werden. In der Summe muss die Landwirtschaft mit weniger Niederschlag auskommen und längere Dürrephasen überbrücken, und zwar in einem Ausmaß, das mit den bisherigen Instrumenten für angepasste Bestandsführung, Sortenwahl und wassersparende Bodenbearbeitung in den meisten Fällen nicht zu bewältigen ist. Politik kann und muss sicherlich etwas tun, den Klimawandel abzumildern. Das reicht allein aber nicht, weil vor allem Handlungsbedarf bei der Klimaanpassung gefragt ist.

Vorrang bei Nutzung von Wasserressourcen festlegen
Für europäische Verhältnisse ist die 1,5°- Grenze bereits Makulatur; Folgekosten und Handlungsbedarf im Klimafolgenmanagement sind schon jetzt unübersehbar. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, mit denen die Landwirtschaft sich dafür rüsten kann. Dazu zählen vor allem ein festgeschriebener Vorrang für die Lebensmittelerzeugung bei der Nutzung von Wasserressourcen, zusätzliche massive Investitionen in Wasser- und Bewässerungsinfrastruktur, eine zielgenaue Förderung von wassersparenden Anbautechniken und -verfahren, die Förderung von entsprechenden Versicherungen und last but not least von sämtlichen Instrumenten, mit denen der einzelne Betrieb seine wirtschaftliche Krisenfestigkeit stärken kann, von der Gewinnglättung bis zur steuerfreien Gewinnrücklage. Das sind zwar keine ganz neuen Ideen, aber Punkte, bei denen die Umsetzung nicht nur immer drängender, sondern zur Voraussetzung für das Weiterarbeiten wird. Für diese Ursachen und den Handlungsbedarf braucht es außerdem keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn, alle notwendigen Entscheidungsparameter liegen auf dem Tisch.

Rheingold-Studie: „Auf der Flucht vor der Wirklichkeit“
Im Spannungsfeld zwischen Wollen und Machen hat Deutschland nicht nur beim Klimafolgenmanagement aber offenbar ein besonderes und grundlegendes Problem, das das Rheingold-Institut in diesen Tagen in einer tiefenpsychologischen Analyse beschrieben und veröffentlicht hat: Deutschland ist kollektiv „auf der Flucht vor der Wirklichkeit“. Getrieben von diversen Krisen, wahrgenommenem Politikversagen und daraus resultierender Resignation führt die Flucht in die Krisenverdrängung und ins Private als einzigem Raum, in dem sich noch Zuversicht entfalten kann. Der Vertrauensverlust in die Politik überrascht im Grundsatz nicht, wohl aber im festgestellten Ausmaß, was Kompetenz und die Fähigkeit zur Problemlösung angeht. Als fatale Konsequenz dieser Entwicklung sieht Rheingold, dass „eine Mehrheit für einen übergreifenden Wandel überhaupt nicht mehr ansprechbar ist“. Das Fehlen positiver Gestaltungskraft überträgt sich so von den politischen Akteuren auf die Bürger. Der nächste Kollateralschaden wird für die Bereitschaft zur „Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung und für eine konstruktive Gesprächskultur“ diagnostiziert, die beide in der Folge schwinden.

Ampelkoalition bleibt im Defensivmodus
Die spannende Frage ist, wer bei diesem Henne-oder-Ei-Spiel die Spirale in Gang setzt – die Defizite und Versäumnisse im Politikbetrieb oder die Frustration und Abstiegsängste der Bürger. Unübersehbar ist jedenfalls der Zusammenhang zwischen handwerklich schlechten, kontraproduktiven oder gar ignoranten Gesetzesvorhaben und zunehmender Polarisierung. Die Reihe der Beispiele reicht von den Green Deal-Vorhaben über Ernährungspolitik mit Werbeverboten und Novellen von Landesjagdgesetzen bis hin zum Gebäudeenergiegesetz. Auch ohne neue Gesetze und Verordnungen erstickt das kleinteilige Netz von bürokratischen Einzelvorschriften und zum Teil ausufernden Genehmigungsprozeduren für jeden Teilbereich unternehmerischen Handelns jeglichen Ansatz zur Weiterentwicklung und Problemlösung. Die Ampelkoalition geht das nicht wirklich an, bleibt im Defensivmodus und betont auffällig oft, dass es doch gar nicht so schlimm sei, am Standort Deutschland. Auch das ist Treibstoff für den Rückzug ins Private mit den beschriebenen Folgen.

Zukunftsfragen brauchen unternehmerische Antworten statt Ordnungsrecht
Wer agrar- und ernährungspolitische Debatten verfolgt, wird diese Einschätzungen ganz oder teilweise wiederfinden Bei wichtigen Zukunftsfragen - Strukturwandel, Tierhaltung, Wertschöpfung und Standards, Flächennutzung, Wolf und Weidetiere, Umwelt- und Naturschutz – kommt die Politik entweder nicht weiter oder fällt auf kleinteiliges, aber in der Sache nicht sinnvolles Ordnungsrecht zurück. Stattdessen gibt es merkwürdige Diskussionen zum Beispiel über „wahre Preise“, die mit fragwürdigen Methoden und fiktiven Kosten kalkuliert werden oder Forderungen nach Enteignungen und Flächenübertragungen zugunsten des Naturschutzes. Die wirklichen Herausforderungen kommen indes zu kurz.

Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, dass die vom Rheingold-Institut beschriebene Seelenlage vor allem eines ist: das Gegenteil vom #Zukunftsbauer. Trotz der düsteren Diagnose gilt: Wer etwas positiv bewegen will, darf sich davon nicht ausbremsen lassen. Am Ende müssen es also doch wieder die Bäuerinnen und Bauern richten….