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Bernhard Krüsken
Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes
Foto: Breloer/DBV

So müssen die zahlreichen Ankündigungen und Verlautbarungen, die in den zurückliegenden Wochen im Gefolge des Starts der Ampel-Koalition auf den agrarpolitischen Marktplatz gegangen sind, für viele Landwirte geklungen haben. Die sicherlich positiven Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag, nach der der Transformationsprozess mit den Landwirten gestaltet und vor allem mit einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation auf den Höfen verbunden werden muss, wurden zwar von den neuen Spitzen des Bundeslandwirtschaftsministeriums und des Bundesumweltministeriums wiederholt und bekräftigt. Aber gleichzeitig gab es auch klare Ansagen in Richtung mehr Ordnungsrecht, mehr Auflagen und Reduktion der Tierbestände, während Aussagen zur Unterstützung vor allem kleiner und mittlerer Betriebe sehr unkonkret geblieben sind.

Ökonomie schlägt Dialektik

So löblich und alternativlos die bekundete Absicht ist, möglichst viele Betriebe mitzunehmen, so schwierig dürfte es werden, gleichzeitig die gesetzlichen Anforderungen zu erhöhen, den Wettbewerb im Binnenmarkt nicht einzuschränken, niedrige Preise für Verbraucher zu gewährleisten und mehr Wertschöpfung auf die Betriebe zu bringen bzw. Bauernfamilien ein angemessenes Arbeitseinkommen zu ermöglichen. Im Grunde ist es ganz einfach: Ökonomie schlägt Dialektik. Das gilt gerade für die Tierhaltung. Immerhin steht die Ankündigung aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium im Raum, deren lange diskutierten Umbau auf drei Feldern gleichzeitig anzugehen: 1. Haltungsformkennzeichnung, 2. Finanzierungskonzept, 3. Anpassung von Bau- und Genehmigungsrecht.

Die Kompassnadel darf nicht in Richtung nationale Alleingänge zeigen

Das entspricht den Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung und damit den Forderungen aller dort vertretenen Gruppen innerhalb und außerhalb der Landwirtschaft. Aber in den Details dieses Fahrplans sind schon die beiden letztgenannten Positionen wacklig angelegt – also diejenigen Schritte, an denen das Ganze scheitern kann. Bei der Finanzierung haben die Koalitionspartner unterschiedliche Standpunkte. Zwei Partner haben kein großes Vertrauen in Wirtschaft und Verbraucher, einer lehnt Abgaben oder veränderte Mehrwertsteuern aus ordnungspolitischer Grundüberzeugung ab. Gut, wenn man so einen klaren Kompass hat, nur läuft das auf zwei Konsequenzen hinaus: Erstens geht das Konzept des Kompetenznetzwerks nicht auf, mehr Tierwohl wird nur in kleinen Marktnischen vergütet. Zweitens: Koalitionspartner, die eine Vorliebe für nationale Alleingänge im Ordnungsrecht hegen, bekommen damit einen taktischen Vorwand dafür, das Ganze nun doch genau auf diesem Weg zu regeln und die Schuld am Ausbleiben einer Lösung Anderen zuzuschieben. Im Schweinemarkt sind die Folgen eines solchen Weges derzeit zu besichtigen: Die deutschen Erzeuger gehen auf dem Zahnfleisch, Strukturen gehen in der Fläche kaputt, während andere europäische Erzeugungsregionen weiterwachsen.

Hohe Standards wirtschaftlich machen

Bitte das nicht als Plädoyer für niedrige Standards missverstehen, das Gegenteil ist gemeint: Wer ernsthaft höhere Standards will, muss diese entweder wirtschaftlich machen oder für alle Marktteilnehmer sprich ganz Europa verbindlich machen. Wer auf nationaler Ebene vorangehen will, muss eine Finanzierung bereitstellen, sonst passiert genau das Gegenteil von höheren Standards. Alle Entscheider, die in den vergangenen Jahren nicht ihren Kopf im Sand hatten, sollten hier kein Erkenntnisproblem haben. Das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung hat sämtliche Varianten und Facetten dieser Herausforderung durchdekliniert und ist genau deshalb zu seinen Empfehlungen gekommen. Was folgt nun daraus: Nicht nochmal zurück an den Anfang der Debatte, nach der euphorischen Rhetorik des Neuaufbruchs die gesetzgeberischen „Mühen der Ebene“ abarbeiten und ein mehrteiliges Finanzierungskonzept für Tierwohlprämien hinstellen – notgedrungen auch mit Umschichtungen bei der Mehrwertsteuer.

Chance auf Wandel und Umbau jetzt nutzen

Die Zeit läuft uns weg; wer hier weiter zögert, vergibt die Chance auf Wandel und Umbau und vor allem auf eine Tierhaltung, die den vielzitierten Ansprüchen von Bürgern und Verbrauchern entspricht. Vielleicht hat tatsächlich niemand die Absicht, die Tierhaltung auszulagern. Aber gut gemeint ist nicht gut gemacht - und am Ende wird es darauf hinauslaufen, wenn das Programm mit falschen Schwerpunkten und in der falschen Reihenfolge aufgesetzt wird.

Wandel braucht auch Kommunikation

Zum notwendigen Wandel gehört sicher noch mehr. Auf die Gefahr hin, sich zu wiederholen: Ohne mehr an Kommunikation und Marketing wird es nicht gehen. Bei den zahlreichen Desinformationen rund um Fleisch oder Nicht-Fleisch den Kopf einzuziehen, ist definitiv keine Zukunftsstrategie, genauso wenig die Klage über solche Kampagnen. Wir müssen deutlich mehr in Sachen Kommunikation tun als in früheren Jahren und das wird deutlich mehr Ressourcen erfordern. Die Milchwirtschaft hat es nach mühsamen Diskussionen endlich geschafft, eine gemeinsame Branchenkommunikation zu etablieren. Überfällig und trotzdem richtig, auch wenn hier der Hinweis hingehört, dass der mobilisierte Betrag kleiner ist als das, was z. B. Hersteller von Milchimitat aus Hafer ins Marketing stecken. Nichts liegt deutlicher auf der Hand als die Forderung, so etwas auch für Fleisch aus guter Tierhaltung anzuschieben. Das wäre nicht der erste Versuch, leider sind die bisherigen Anläufe an Unwilligkeit, an Kleinteiligkeit oder an Befindlichkeiten der Fleischbranche, wenn nicht gescheitert, so doch im Sand verlaufen. Sicher kein Grund, so ein Projekt ad acta zu legen.

Stumpfe Preis-Logik sollte Differenzierung weichen

Last but not least braucht es einen Wandel in der Vermarktung. Alle Akteure sind bisher gefangen in einer stumpfen Preis-Logik, die als Antwort auf niedrige Preise und Schweinestau nur einen Reflex kennt: noch niedrigere Preise, damit die Ware irgendwie weggeht (Dabei wage ich die Behauptung, dass Beträge wie 20 oder 30 ct/kg an der Theke für den Verbraucher kaum spürbar sind, es sei denn, man macht einen großen medialen Rummel darum). Ansätzen zur Differenzierung über Standards, Tierwohlzuschläge, Herkunftskennzeichnung oder dergleichen begegnen viele Vermarkter mit überzogenen und prohibitiven Sortierungskosten-Kalkulationen oder mit der scheinheiligen Klage über „Marktspaltung“ – dabei geht es genau darum, nicht um Spaltung, sondern um Differenzierung. Hier geht noch viel mehr und hier können Politik und Lebensmittelhandel auch ausnahmsweise einmal helfen.