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Bernhard Krüsken
Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes
Foto: Breloer/DBV

Das ist das aktuelle Lieblingswort der deutschen Agrarverwaltung, die sich neue Aufgaben gegeben hat. Denn der Regenerosivitätsfaktor (kurz R-Faktor) wird zusammen mit der Bodenerodierbarkeit (K-Faktor) und dem Hangneigungsfaktor (S-Faktor) ermittelt, bildet die Intensität und die Menge aller erosionswirksamen Regenereignisse in einem engmaschigen Raster ab und wird auf die zu berücksichtigenden landwirtschaftlichen Nutzflächen zugeschnitten sowie je Gemarkung gemittelt. Und das Schönste: Laut der neuen GAP-Konditionalitätsverordnung wird der R-Faktor Teil eines verpflichtenden Kriteriums zur Einhaltung von GLÖZ 5 (Begrenzung von Erosion), gemeinsam mit dem K-Faktor aus der Bodenschätzung und dem S-Faktor aus sehr kleinräumigen digitalen Geländemodellen, gemeinhin als Hangneigung bekannt. Hinweis: Abweichungen und Variationen zwischen Bundesländern sind möglich und vorhanden.

Da staunt der Verwaltungsfachmann und der Landwirt wundert sich, in welchem Tollhaus er mal wieder gelandet ist. Leider kann man die Verantwortung für diesen bürokratischen Auswuchs in diesem Fall nicht Brüssel in die Schuhe schieben – es ist eine kühne deutsche Schöpfung zur Umsetzung der genannten GLÖZ-Vorgabe. Und damit sind wir beim eigentlichen Punkt: Ganz Deutschland redet von Bürokratieabbau, Vereinfachung und Entlastung, aber ein unbeugsames virtuelles Dorf von Regulatoren aus Bund und Ländern, Behörden und Kontrolleuren arbeitet unverdrossen an mehr Verwaltung, mehr Stellen, mehr Absurdistan und mehr Kontrollbedarf, den keiner ernsthaft bewältigen kann.

Politische Versprechen von Bürokratieabbau kaum mehr als hohle Offerten
Wie jeder Betrieb täglich spürt, ist das nur ein Beispiel unter vielen für ein Übermaß an gesetzgeberischem Mikromanagement und für aufwendige, übertriebene Bürokratie ohne Mehrwert (sowohl für die „Anwender“ als auch für den eigentlichen Regelungszweck). Weitere Schmankerln sind im Anmarsch, beim Pflanzenschutz, bei der Entwaldungsverordnung oder bei Meldepflichten. Nach den Bauernprotesten hat die Bundesregierung bekanntlich versucht, die Gemüter mit dem Versprechen von Bürokratieabbau zu besänftigen. Der Blick aus der Praxis auf den täglichen Wahnsinn zeigt allerdings, wie hohl und wie wenig ernsthaft solche Offerten sind. Die Landwirtschaft steht mit diesem Problem nicht alleine da. Alle Wirtschaftsbereiche, die produzieren, Wertschöpfung erarbeiten und die wirtschaftliche Grundlage unseres Gemeinwesens schaffen, sind betroffen. Wer es wirklich ernst meint mit der Entlastung der (Land)Wirtschaft, darf solche Auswüchse gar nicht erst entstehen lassen. Diese Bundesregierung ist wie auch ihre Vorgänger von der Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit in Sachen Bürokratieabbau noch weit entfernt.

Exkurs: Das sind keine Bauernproteste
Stichwort Proteste und Aktionen: Die Aktionswoche der Landwirtschaft zum Agrardiesel und die Aktionen im Umfeld waren Bauernproteste – vorbildlich, entschieden, aber friedlich und demokratisch. Einige Aktionen der zurückliegenden Tage, darunter das Sprengen von Veranstaltungen, Blockaden von Medienhäusern oder Misthaufen auf Bundesstraßen waren keine Bauernproteste, sondern von Wirrköpfen, Querdenkern und radikalen Splittergruppen organisiert. Die mediale Wahrnehmung steht in krassem Gegensatz zur tatsächlichen Relevanz und Häufigkeit solcher Aktionen. Irgendwann wird man auch müde, sich von etwas zu distanzieren, für das man nicht zuständig ist. Trotzdem gilt: Jedem, der noch alle Tassen im Schrank hat, ist klar, dass so etwas der Landwirtschaft massiv schadet. Abgesehen davon ist das nicht nur eine taktische, sondern eine grundsätzliche Frage. Proteste in solcher Form sind schlicht nicht legitim und wenn es um Nötigung, Sach- oder Personenschäden geht, auch kriminell.

Ansatzpunkte für effektive Entlastung zahlreich vorhanden
Aber zurück zur Landwirtschaftspolitik. Hier gibt es viele Ansatzpunkte, um nach einer wie auch immer ausfallenden Agrardiesel-Entscheidung eine effektive Entlastung umzusetzen, und zwar über die GAP-Bürokratie hinaus. Europäische Wettbewerbsgleichheit beim Agrardiesel bleibt eine Forderung, auch wenn die Bundesregierung sich hier nicht bewegen sollte. Wenn Steuererhöhungen eine Lenkungswirkung haben sollen, braucht es zusätzliche Anreize für den Einsatz erneuerbarer bzw. nicht fossiler Kraftstoffe in der Landwirtschaft, in Form einer Steuerbefreiung für den Einsatz dieser Kraftstoffe. Die wirtschaftliche Dimension der Steuererhöhung beim Agrardiesel erfordert steuerliche Entlastungen durch die Stärkung des einzelbetrieblichen Risikomanagements bzw. die Möglichkeit für eine steuerfreie Gewinnrücklage.

Einheitliche europäische rechtliche Vorgaben gefordert
Zum Katalog der notwendigen Entlastungen gehört auch die größtmögliche Angleichung an europäische rechtliche Vorgaben, z. B. im Düngerecht und im Pflanzenschutz. Die Stoffstrombilanz ist ein nationaler Sonderweg und nicht das geeignete Instrument, die Effizienz und Effektivität der Düngung auf der Fläche zu verbessern. Weiter muss hier das Verursacherprinzip konsequent umgesetzt werden. Betriebe, die nachweislich gewässerschonend und ordnungsgemäß wirtschaften, müssen von den Beschränkungen in den so genannten roten Gebieten ausgenommen werden. Im Zuge des Insektenschutzpaketes gab es die politische Zusage, einen Nachteilsausgleich für Bewirtschaftungseinschränkungen in Schutzgebieten zu schaffen, die stillschweigend wieder einkassiert worden ist. Für ordnungsrechtliche Beschränkungen oberhalb der guten fachlichen Praxis muss ein Ausgleichsanspruch festgeschrieben werden.

Baustellen bei Tierhaltung und Flächenverbrauch auflösen
Weiter ist die Tierhaltung zu nennen. Der Tierwohlvorrang im Immissionsschutzrecht, die Ausweitung der Haltungsformkennzeichnung und ein verbindliches Herkunftskennzeichen sowie ein Ausbau des Bundesprogramms zum Umbau der Tierhaltung sind notwendige Bestandteile einer Tierhaltungsstrategie, die nicht nur den Export der Tierhaltung in andere EU-Länder zur Folge haben soll. Ungelöst ist der anhaltende Verlust landwirtschaftlicher Flächen durch Versiegelung, Überbauung, Siedlungen und Verkehr, aber auch durch produktionseinschränkende Auflagen und Verbote. Die Fläche für landwirtschaftliche Produktion muss endlich wirksam geschützt werden.

Verhandlungsposition der Erzeuger stärken
Schließlich braucht es auf nationaler und auf europäischer Ebene Regelungen, die die Verhandlungsposition der Erzeuger weiter stärken und gegen problematische Geschäftspraktiken in der Lebensmittellieferkette vorgehen. Eine Erweiterung der bestehenden kartellrechtlichen Möglichkeit zur Bündelung auf Erzeugerebene auf alle von Landwirten getragenen Vermarktungs- und Verarbeitungsorganisationen einschließlich ihrer Genossenschaften und die konsequente Nutzung des Art. 210a der Gemeinsamen Marktorganisation schaffen Gestaltungsmöglichkeiten und sind obendrein noch haushaltsneutral.

Langer Rede kurzer Sinn: Die Politik kann auf relativ einfachem Weg etwas tun für den Bürokratieabbau und für die heimische Landwirtschaft. Ausreden gelten nicht und sind Indiz für fehlenden ernsthaften Willen.