Der Markt für tierische Lebensmittel ist zweifellos da, die Nachfrage nach Milch, Fleisch und Eiern vorhanden, bei allem vermeintlichen oder tatsächlichen Wertewandel. Gute Tierhaltung mit guten Tierschutzstandards soll es sein. Billig ist verpönt, aber trotzdem im Regal zu finden und auch gerne gekauft. Am Regal oder an der Theke scheint es also nicht ganz so schlimm um tierische Lebensmittel zu stehen.

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Bernhard Krüsken
Generalsekretär Deutscher Bauernverband
Foto: DBV Breloer

Die andere Seite der Medaille ist bekannt: Der Export der Tierhaltung selbst ist im vollen Gang und leider eine logische Folge gesetzgeberischer und wirtschaftlicher Vorgaben. Tierhaltung findet hierzulande problemlos ihren Markt, aber immer weniger Möglichkeit zu arbeiten und zu produzieren. Die aktuelle Verschärfung der Tierschutz-Nutztierhaltung führt vorhersagbar und mit Ansage zu einem weiteren Strukturbruch in der Sauenhaltung. Alleine dieses aktuelle Beispiel zeigt, wie hohl die in der agrarpolitischen Sonntagsrede abgegebenen Bekenntnisse zum bäuerlichen Familienbetrieb tatsächlich sind. Diese damit ausgelöste Produktionsverlagerung unterläuft zudem das im besten Fall gut gemeinte Schutzziel der verschärften Verordnung: Tierschutz reicht in diesen Diskussionen nur bis zum sprichwörtlichen Tellerrand.

Mit Tierwohlprämien zu mehr Tierwohl

Vor diesem Dilemma stand auch das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, dessen Empfehlungen in dieser Ausgabe im Detail vorgestellt werden. Der Lösungsansatz ist radikal: Wenn in offenen Märkten die Verbraucher doch nur billig wollen, dann kann „mehr Tierwohl“ nicht nur über Nachfrage realisiert werden, sondern muss auf anderen Wegen, z.B. über Tierwohlprämien finanziert werden. Darin liegt die Chance, eine langfristige Perspektive für die Weiterentwicklung und den Umbau der Tierhaltung in Deutschland zu schaffen. Darin liegt aber auch ein Risiko, dass das vorgeschlagene Modell mit Förderkulisse und Finanzierung im politischen Prozess nur unvollständig umgesetzt wird und lediglich als Vorwand für weitere ordnungsrechtliche Alleingänge dient. Dann wäre eine massive Schrumpfung der Tierhaltung die absehbare Folge, mit allen wirtschaftlichen und strukturellen Folgen für Wertschöpfung in der Landwirtschaft, in ländlichen Räumen und in den vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen. Die Gewinner eines solchen Szenarios stehen auch schon fest: Importeure, Berufskollegen in anderen Teilen Europas und diejenigen, die die Tierhaltung ohnehin im Grundsatz ablehnen.

Entscheidende Voraussetzungen

Neben der Haltungsform- braucht es auch eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung, damit unterschiedliche Standards sichtbar werden.

(Foto: Christian Mühlhausen/ landpixel)

Das vorgeschlagene Modell alleine rettet uns daher nicht. Es muss zudem sichergestellt sein, dass

  • Umbau und Weiterentwicklung tatsächlich möglich gemacht werden und ein bau- und genehmigungsrechtlicher Vorrang für „mehr Tierwohl“ festgeschrieben wird,
  • gesetzliche Standards im europäischen Gleichklang bleiben, um die Förderfähigkeit nicht zu gefährden und
  • Wertschöpfung aus dem Markt durch höhere Standards weiter möglich bleibt; dafür ist eine verpflichtende Haltungsform- und Herkunftskennzeichnung eine elementare Voraussetzung.

Wertschätzung und Wertschöpfung durch sichtbare Kennzeichnung

Absehbar ist jetzt schon, dass eine politische Grundsatzentscheidung über die Empfehlung des Kompetenznetzwerkes noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird und sicher nicht in dieser Legislaturperiode fallen wird. Soviel Zeit haben wir aber nicht, abwarten ist keine Option. Mit höheren Standards - ob von Marktpartnern verlangt oder von der Politik verordnet – ist die Landwirtschaft wohl oder übel konfrontiert, besonders in der Tierhaltung. Das muss in der politischen Diskussion anders als bisher berücksichtigt werden. Zur Wettbewerbsfähigkeit gehören nicht nur gleiche Wettbewerbsbedingungen, sondern dann

auch neue Regeln für Marktzutritt und Kennzeichnung von Produkten und Rohstoffen, die mit niedrigen Standards erzeugt worden sind. Der DBV hat diese Erweiterung seiner bisherigen Position mit der Forderung nach verpflichtender Haltungsform- und Herkunftskennzeichnung schon vor einiger Zeit umgesetzt. Im heimischen Markt kann Differenzierung und Wertschätzung nur stattfinden, wenn unterschiedliche Standards auch sichtbar sind. Das bedeutet definitiv keine Absage an internationalen Agrarhandel, auf den Landwirte in ganz Europa auch angewiesen sind. Die daraus resultierende handelspolitische Forderung heißt aber: Der Agrarteil von Handelsabkommen muss ausgewogen sein – so wie bei CETA und JEFTA, nicht so wie bei Mercosur.