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Udo Hemmerling
stellvertretender Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes
Foto: Breloer/DBV

Vor allem für Cem Özdemir – es war seine erste Grüne Woche als Landwirtschaftsminister. Er scheint noch nach der passenden Mischung zwischen Pragmatismus und grünen Herzensthemen zu suchen. Doch die Realpolitik kennt gerade kein Pardon –die Krisen und Herausforderungen wie die Ernährungs- und die Energiesicherheit müssen angegangen werden. Landwirte und Verbraucher erwarten Antworten, die in der Realität funktionieren.

Welche Agrarpolitik will die Bundesregierung also umsetzen? Eine, die auf die aktuellen Herausforderungen und Krisen pragmatisch, offen und mit „grüner Handschrift“ eingeht? Oder eine Agrarpolitik, die zwei Jahrzehnte alte Konflikte immer wieder neu bearbeitet? Wie lang ist der grüne Schatten der Vergangenheit, wie groß das Dilemma durch mögliche Erwartungen einer traditionellen grünen Basis?

Umbau der Tierhaltung nur bruchstückhaft

Da ist zunächst der Umbau der Tierhaltung. Immer deutlicher wird, dass das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft den Borchert-Plan nicht gesamthaft umsetzen will und kann. Zu bruchstückhaft sind die vorliegenden Entwürfe für eine Haltungskennzeichnung, eine Tierwohlförderung und für das Baurecht. Während der Borchert-Plan darauf abzielt, möglichst allen Tierhaltern ein Angebot zum Umbau und zur Weiterentwicklung ihrer Ställe zu machen, tickt das BMEL anders: Bestimmte Segmente sollen besonders privilegiert werden, vor allem Freilaufhaltung und Öko-Haltung in sehr kleiner, außer in Direktvermarktung kaum wettbewerbsfähiger Betriebsgröße. Grüne Agrarpolitik bliebe so in alten, selbst geschaffenen Gegensätzen von „Massentierhaltung“ und Tierwohl gefangen. Minister Özdemir hat in Reaktion auf die Kritik des DBV und der anderen Tierhalter-Verbände nun angekündigt, im Februar seine Vorschläge zum Umbau der Tierhaltung nochmals diskutieren zu wollen. Dialogbereitschaft bleibt also für den DBV auch in Konfliktsituationen weiter wichtig. Es war Konsens der Zukunftskommission Landwirtschaft und auch der Borchert-Kommission, eine Verdrängung der heimischen Erzeugung ins Ausland durch höhere Standards bei Tierwohl und beim Umweltschutz vermeiden zu wollen. Dieser Konsens wird aber nun durch die aktuelle Bundesregierung nicht systematisch aufgegriffen. Vielmehr gleichen sich die verschiedenen politischen Positionen zwischen den Parteien der Ampel-Koalition so aus, dass ein einigermaßen pragmatischer Kurs herauskommt. So lassen sich aber keine „Transformationsprozesse“ gestalten. Der DBV wird in der wiederberufenen „Zukunftskommission 2.0“ versuchen, den Weg der Veränderung mitzugestalten, auch wenn es mühsam bleibt.

Neue Ausbauwelle bei Erneuerbaren bietet Chancen für Landwirte

Bei der Energieversorgung besteht die große Aufgabe, eine sichere Versorgung mit dem Umbau auf erneuerbare Erzeugung zusammen zu bringen. Das bringt eine große Chance für mehr heimische Erzeugung, aber auch die Frage der Wettbewerbsfähigkeit ohne billige, fossile Energieimporte. Im aktuellen Konjunkturbarometer Agrar wird deutlich, dass die Landwirte diese Chance sehen und ihre Investitionspläne aktuell neu ausrichten. Stagnierenden Investitionen bei Maschinen und Gebäuden stehen wachsende Planungen in Photovoltaik und auch Biomasse gegenüber. In der Tat bietet der forcierte Ausbau der erneuerbaren Energien erhebliche Chancen für Landwirte und Grundeigentümer, aber auch einige Hindernisse und Risiken. Bei Photovoltaik wurden die Rahmenbedingungen bereits spürbar verbessert. Dazu gehört die Einkommensteuer-Befreiung von PV-­Dachanlagen bis 30 kW je Anlage bzw. 100 kW je Steuerpflichtigen. Damit lässt sich ein steuer­freies Einkommen von bis zu 1.000 Euro je Monat organisieren, wo gibt es das sonst? Interessant ist auch die Investition in Eigenverbrauchskonzepte – eine „Elektrifizierung“ der Höfe. Bisherige Hürden wie die EEG­-Umlage auch auf Eigenverbrauch wurden abgebaut. Hindernisse, die noch aus dem Weg geräumt werden müssen, sind der Ausbau der Verteilnetze und die erleichterte Strom­-Direktvermarktung an Nachbarn.

Heißlaufender Ausbau von PV­-Freiflächenanlagen

Ein wahrer Schwarm von mehr oder weniger seriösen Projektentwicklern zieht über das Land, die versuchen, Kommunen und Grundeigentümer von ihren Plänen zu überzeugen. In dieser Situation gibt es vor allem zwei Empfehlungen: so weit wie möglich diese PV-­Projekte in die eigene Hand zu nehmen und möglichst auf Flächen zu steuern, die die aktiven landwirtschaftlichen Betriebe so wenig wie möglich beeinträchtigen. Mit Blick auf die kommunale Planungskompetenz ist das eine große Aufgabe für die Kreisbauernverbände in ganz Deutschland. 

Nawaro-­Phobie der grünen Minister

Zum Auftakt der Grünen Woche haben die grünen Minister für Umwelt, Landwirtschaft und Wirtschaft erneut eine Teller­-Tank­-Debatte vom Zaun gebrochen. Obwohl sie wissen, dass Bundesverkehrsminister Wissing nicht darauf eingehen kann, Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse abzuschaffen. Dazu ist der Verkehrssektor zu weit von den Zielen des Klimaschutzgesetzes entfernt. Die vorgeschlagenen höheren Mehrfachanrechnungen von Elektromobilität wären vorgetäuschter Klimaschutz. Und auch landwirtschaftlich gibt es viele gute Argumente für Biokraftstoffe – siehe Fruchtfolgen und heimische Eiweißfuttermittel. Hier scheint es den grünen Ministern nicht darum zu gehen, Probleme zu lösen. Alles in allem ist das kein gutes Signal für eine erfolgreiche Biomasse­-Strategie der Bundesregierung. DBV­-Präsident Rukwied bringt es auf den Punkt: „Die Politik muss hier raus aus der Ideologie­-Kiste.“ Die „Entdeckelung“ von Biogas bis Ende 2024 und die weitgehend vermiedene Abschöpfung auf Biogas machen aber auch deutlich, dass es im Bundestag eine pragmatische Koalition gibt, die Biogas dort sehen will, wo es gebraucht wird: zur Flexibilisierung der Stromerzeugung, zur Minderung der Methanemissionen aus der Tierhaltung, im Verkehrssektor und für Prozesswärme. Dieser pragmatische Ansatz der Ampel­-Abgeordneten im Bundestag lässt für die Bioenergie hoffen.