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Bernhard Krüsken
Generalsekretär Deutscher Bauernverband
Foto: DBV Breloer

Es gab hier mitunter ausgewachsene Entgleisungen, die zwar für die beschimpften oder bedrohten Landwirte eine definitiv negative Erfahrung waren, aber in der öffentlichen Wahrnehmung eine klare Bewertung erfahren haben: Trolle und Schreihälse eben, die sich selbst aus der ernsthaften Debatte katapultieren und automatisch als nicht relevant gesehen werden.

Über Freaks und Fake News

Es ist aber nicht zu übersehen, dass sich in den zurückliegenden Wochen das Bild in einigen Chatgruppen und Foren mit landwirtschaftlichem Bezug etwas geändert hat. Wer sich dort umsieht, stößt auf eine kleine, aber sehr lautstarke und extreme Fraktion, die sich unter die dort anwesenden Landwirte mischt und nach einem vergleichbaren Muster agiert. Beschimpfungen, gefälschte Zitate, Verschwörungstheorien, falsche Unterstellungen, Clips mit Western-Anmutung, wirres Zeug und immer unterlegt mit maximaler Selbsterregung und mit dem Ziel, Stimmung zu machen. Dass es solche Leute gibt, ist sicherlich nichts Neues. Neu ist eher, dass ihnen wenig entgegengesetzt wird und die Elaborate mitunter fleißig weitergereicht werden. Das könnte zwei Ursachen haben: Entweder gilt das Prinzip der „freak show“, des etwas sensationslüsternen Amüsements über Dumpfbackigkeiten, die man sich gegenseitig zeigt, oder in diesen Gruppen haben sich die Vernünftigen bereits zurückgezogen und sind schon in der Minderheit.

Reputationsmanagement unverzichtbar

In beiden Fällen ist aber für Organisationen und Bewegungen, unter deren Dach oder in deren Nähe sich solche Gruppen bewegen, der Schaden bereits eingetreten. Wer nichts gegen die Trolle unternimmt und ihnen einen Biotop gibt, muss sich ihnen zurechnen lassen. Das kann stillschweigende Absicht sein, aber dann darf man sich über politischen und gesellschaftlichen Bedeutungsverlust nicht wundern. Natürlich liegt das „Reputationsmanagement“ in der eigenen Verantwortung der Betreffenden. Wenn es aber wie beschrieben nicht funktioniert, gibt es einen Kollateralschaden für den gesamten Berufsstand, der handfeste politische Konsequenzen hat. Landwirte haben in den zurückliegenden Monaten viel bewegt, viel positive Aufmerksamkeit erzeugt, ihr Bild in der Gesellschaft gewandelt und stehen gerade in Zeiten der Coronakrise unbestritten als systemrelevante, wichtige und unverzichtbare Branche da. Werden die wenigen Trolle von der vernünftigen
und konstruktiven Mehrheit der Landwirte nicht eingebremst, werden diese Erfolge wieder zerstört. Das sollten wir nicht riskieren. Betreiber und Administratoren von solchen Gruppen haben hier eine Verantwortung und müssen bei solchen Entgleisungen einschreiten.

Bei der Krisenfestigkeit der Betriebe ansetzen

Die globale Rezession setzt Rohstoffpreise unter Druck, nicht nur bei Rohöl, sondern auch bei Getreide, Ölsaaten, Fleisch, Butter und Magermilchpulver.

(Foto: Ehrecke/ pixabay)

Die konjunkturellen Bremsspuren und agrarpolitischen Konsequenzen der Corona-Situation werden täglich deutlicher und reichen bis zur GAP. Nach der „ersten Welle“ der wirtschaftlichen Folgen, von der große Teile
der Landwirtschaft auch, aber im Vergleich zu anderen Branchen nicht so existenziell getroffen wurden, sehen wir nun die nächsten Wellen anrollen. Bislang sind die Logistikketten unter Stress, halten aber. Irrwitzige Situationen wie in den USA, wo beispielsweise Schlacht- und Fleischverarbeitungsbetriebe ausfallen, Ladentheken leer bleiben und Landwirte nicht wissen, wohin mit den Schlachttieren, sind uns bis jetzt erspart geblieben. Die globale Rezession setzt Rohstoffpreise unter Druck, nicht nur bei Rohöl, sondern auch Getreide, Ölsaaten, Butter, Magermilchpulver und Fleisch. Kurzfristige Interventionen mit den klassischen Marktordnungs-Instrumenten können solche Einbrüche etwas eindämmen (und sind deshalb auch angebracht), können aber eine globale Rezession nicht ausbremsen. Gleiches gilt für die alten Rezepte zur zentralen staatlich gesteuerten oder finanzierten Angebots-
Mengensteuerung, die zwar noch nie funktioniert haben, aber in der jetzigen Situation von einigen Akteuren wieder aus der agrarpolitischen Mottenkiste geholt werden. Solche Debatten zielen sicher nicht auf machbare Problemlösungen, sondern eher auf Profilierung und Abgrenzung von Gruppen. Wie in früheren Preiskrisen landen wir im Ergebnis der Diskussion wieder bei der Krisenfestigkeit der Betriebe. Hier muss die Politik ansetzen: strukturelle Stärkung für das Risikomanagement über Versicherungslösungen, Vertragsmodelle für Lieferbeziehungen und steuerliche Risikorücklagen, stärkerer Erzeugervorrang im Kartell- und Wettbewerbsrecht, gemeinsame gesetzliche Standards und Auflagen im gemeinsamen Markt und last but not least Liquiditätshilfen für extreme Situationen.

GAP-Zeitplan coronabedingt verlängert

Aber zur GAP: Der Zeitplan gerät ein weiteres Mal durcheinander. Corona verlängert die Hängepartie um den Finanzrahmen um einige Monate und verschärft den Verteilungskampf um die Budgets. Neben neuen Aufgaben und dem geplanten Kraftakt des Green Deal beansprucht nun auch die Bewältigung der Corona-Folgen die finanziellen Ressourcen der Gemeinschaft. Auch wenn Letzteres über einen separaten Fonds stattfinden soll, spricht die finanzpolitische Logik nicht für eine Aufstockung des regulären Haushalts oder des GAP-Budgets. In jedem Fall wird die Übergangsregelung von der alten auf die neue GAP (einschließlich des Finanzrahmens) von einem Übergangsjahr zu einer mehrjährigen Angelegenheit führen. Das sollte auch klar angesprochen werden und ist neben der rechtzeitigen Antragsabwicklung und Mittelauszahlung auch in Corona-Zeiten eine ganz praktische und drängende Aufgabe für Politik und Verwaltung.