Beim Deutschen Bauerntag hat Carsten Schneider, Bundesminister für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit, zentrale Leitlinien seiner Politik vorgestellt (Beitrag in dieser dbk). Im Interview mit der dbk hat der SPD-Politiker die Positionen seines Ministeriums weiter konkretisiert und vertieft.

dbk: Umwelt und Landwirtschaft sind untrennbar miteinander verbunden. Was verbindet Sie persönlich, über Ihr Ministeramt hinaus, mit der Landwirtschaft?
Bundesumweltminister Carsten Schneider: In meiner Heimat Thüringen prägen Wald und Landwirtschaft die Landschaft. Dazu kommt mein persönlicher Bezug: Mein Opa war Landwirt. Deshalb habe ich auch noch nie irgendeinen Zweifel daran gehabt, dass Landwirtschaft selbstverständlich etwas mit Bewahren zu tun hat, und mit Wirtschaften in und mit der Natur. Das gehört beides zusammen. Landwirtschaft ist – was die Verbindung zur Umwelt angeht – nichts Theoretisches, sondern die Praxis. Eine intakte Umwelt ist Lebensgrundlage für uns alle, wenn es der Umwelt schlecht geht, merken Bäuerinnen und Bauern das als Erste.

dbk: Welche Strategie halten Sie für die Herausforderungen der Umweltpolitik in der Landwirtschaft für erfolgsversprechend? Wie viel Kooperation und Anreize sind möglich und wie viel Ordnungsrecht ist nötig?
Schneider: Klar ist: Wir brauchen an vielen Stellen Verbesserungen, und das organisieren wir am besten gemeinsam mit der Landwirtschaft. Erfolgreiche Umweltpolitik ist auf die Beteiligung der Landwirtschaft angewiesen. Und erfolgreiche Landwirtschaft ist auf eine intakte Umwelt angewiesen. Die Landwirtschaft leistet viel für die Gesellschaft, für Natur, Klima und Tierwohl. Sie hat mich als Verbündeten, wenn es darum geht, dass diese Leistungen für die Gesellschaft auch zielgerichtet honoriert werden aus der EU-Agrarförderung. Die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft sind hier ein Beispiel für gelungene Kooperation. Unter anderem hat sie empfohlen, die bisherigen flächengebundenen Direktzahlungen bis Ende 2034 vollständig in Zahlungen für konkrete gesellschaftliche Leistungen wie Umwelt, Klima und Tierwohl umzuwandeln. Daran möchte ich anknüpfen.

dbk: In Ihrer Regierungserklärung konstatieren Sie, dass wirtschaftliches Wachstum mit Umweltschutz einhergehen könne, dass Natur und Umwelt Teil unserer Sicherheit seien. Wie wollen Sie Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln und Umweltschutz als Sicherheitsfrage miteinander verbinden?
Schneider: Der Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt sind enorme Sicherheitsrisiken. Denn sie gefährden unsere natürlichen Lebensgrundlagen und damit letztlich auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Nur eine Landwirtschaft, die gleichermaßen Bodengesundheit und Artenvielfalt sichert, sorgt auch langfristig für Versorgungssicherheit.

dbk: Was können die Landwirte bei der nationalen Umsetzung der EU-Naturwiederherstellungsverordnung von Ihnen erwarten? Wie werden Sie den Berufsstand einbinden und welche Rolle wird eine kooperative Umsetzung spielen?
Schneider: Stabile Ökosysteme sind die Grundlage für landwirtschaftliche Erträge und somit für unsere Ernährung. Darum ist die Wiederherstellung zerstörter Ökosysteme wichtig. Mein Ministerium arbeitet schon seit einigen Jahren gemeinsam mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium und Landwirtinnen und Landwirten im „Dialognetzwerk Zukunftsfähige Landwirtschaft“ zusammen. Dort geht es um praktische Lösungen für mehr Biodiversität in der Agrarlandschaft. Wir fangen in Deutschland nicht bei null an, was Wiederherstellung von Ökosystemen angeht: Viele erfolgreiche Maßnahmen zur Nutzung und Wiederherstellung laufen bereits. Oft unterstützt eine angepasste Bewirtschaftung die Natur sogar dabei, sich zu regenerieren. Hier wie auch in anderen Formaten gilt: Miteinander reden, statt übereinander.

dbk: Sie sind fortan auch für den Klimaschutz verantwortlich. Eine klimaneutrale Ernährung ist nicht möglich. Auf welche Strategie setzen Sie – Effizienz oder Extensivierung? Und wie wollen Sie Verlagerungseffekte in eine Folgenabschätzung nationaler Politikentscheidungen einbeziehen?
Schneider: Ich bin nicht der Typ, der Ernährungstipps gibt. Die Wissenschaft nennt als Stellschrauben mehr regionale und saisonale Produkte, minimale Lebensmittelabfälle und -verluste sowie mehr pflanzliche Anteile auf dem Teller. Davon können Landwirtschaft in Deutschland und Klimaschutz gleichermaßen profitieren. Das gilt auch für das Thema Effizienz: Wenn wir effizienter mit unseren Ressourcen umgehen, mit Energie, mit den Böden, mit den Wasserressourcen, dann nutzt das nicht nur der Umwelt, sondern auch der Landwirtschaft. Nur wenn wir den Schutz von Klima, Boden, Wasser und Artenvielfalt verstärken und verbessern, können wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten klimafreundlich und naturverträglich, und damit auch erfolgreich Landwirtschaft betreiben. Wichtig ist: Landwirtinnen und Landwirte müssen etwas davon haben, dass sie nachhaltig produzieren. Da brauchen wir auch das anhaltende Engagement des Handels, der Hersteller und letztlich auch der Konsumentinnen und Konsumenten. Hier ist in den vergangenen Jahren schon einiges passiert, etwa mehr Bio-Lebensmittel in den Supermärkten. Wir brauchen gute, hochqualitative und bezahlbare Lebensmittel für alle.

dbk: Beim Wolf haben die Weidetierhalter in den letzten 10 Jahren viele Versprechungen gehört. Was können sie von Ihnen konkret in Sachen rechtssichere Entnahme von Problemwölfen und Reduktion des Wolfsbestandes erwarten?
Schneider: Weidetierhaltung ist ein Bereich, der für den Naturschutz einen großen Stellenwert hat. Viele Pflanzen- und Insektenarten gibt es nur, wenn die Schafe ihre Arbeit machen können. Ich will, dass Schäfer in Deutschland eine Zukunft haben. Wölfe, die immer wieder Probleme machen, müssen entnommen werden können. Mit der Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs im europäischen Recht wurde hier mehr Spielraum geschaffen und die Länder haben mehr Spielraum. Denn die Änderung auf EU-Ebene macht Änderungen des nationalen Rechts möglich. Es wird also auch tatsächlich einfacher, Wölfe zu entnehmen. Außerdem kommt es darauf an, dass die Schäfer ihre Tiere schützen können und dabei unterstützt werden. Dafür hatte sich mein Ministerium schon in der vorletzten Legislaturperiode erfolgreich eingesetzt.

dbk: Bauern befürchten, dass es wie in der Vergangenheit wieder eine Blockade zwischen den Ressorts Umwelt und Landwirtschaft geben könnte, was weder der Umwelt noch der Landwirtschaft geholfen halt. Wie sehen Sie Ihre Rolle: Verhinderer oder Gestalter, der die Bauern auf Augenhöhe einbindet?
Schneider: Landwirtschaft und Umweltschutz eint ein gemeinsames Interesse: die Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Umweltschutz kann nur erfolgreich sein, wenn die Bauern mitmachen. Die Landwirtschaft wiederum ist auf eine intakte Umwelt angewiesen. Es gibt viele Bereiche, in denen wir die Synergien nutzen können, und zwar miteinander.

Interview: Dr. Anni Neu