Peter Hoffmann und Franziska Schmieg

Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen: Stagnierende Unternehmensgewinne, Investitionszurückhaltung und strukturelle Unsicherheit prägen das Bild. Ländliche Räume stehen vor der Aufgabe, ihre Wirtschaftskraft zu sichern und auszubauen. Entscheidend sind regionale Wertschöpfung, Digitalisierung und eine verlässliche Politik. Die Frage lautet: Wie gestalten wir aktiv die Zukunft vor Ort und gewinnen Vertrauen zurück?

Seitwärtsbewegung und Investitionsschwäche

Die Buchführungsergebnisse für das abgelaufene Wirtschaftsjahr 2024/2025 zeigen eine Seitwärtsbewegung beim Unternehmensgewinn je Familienarbeitskraft (56.263 Euro). Während Ackerbaubetriebe deutliche Einbußen verzeichnen, profitierten Veredelungs- und Milchviehbetrieben von hohen Erzeugerpreisen.
Besorgniserregend bleibt die anhaltende Investitionsschwäche: Stallbau und Maschineninvestitionen stagnieren. Laut Konjunkturbarometer vom Oktober wird auch in den kommenden 12 Monate Zurückhaltung dominieren, verursacht durch steigende Kosten, politische Unsicherheit und lange Genehmigungsverfahren. Dies deckt sich laut ifo-Geschäftsklimaindex mit der Stimmung in der gesamten deutschen Wirtschaft. Für Unternehmen braucht es Verlässlichkeit und Planungssicherheit, nicht abrupte Kurswechsel wie zuletzt beim vorzeitigen Ende des Bundesprogramm Umbau der Tierhaltung.

Regionale Wertschöpfung stärken

Deutschland steckt in einer Wachstumsschwäche. In 192 von 400 Landkreisen sinkt die Bruttowertschöpfung seit 2019. Gründe sind u.a. der Rückgang der Industriebeschäftigung – die vielfach auf dem Land ansässig ist – Digitalisierungslücken und der demographische Wandel, so das Thünen-Institut für Innovation und Wertschöpfung in ländlichen Räumen (Hundt und Peters 2025). Auffällig ist, dass Regionen im Südwesten sich zuletzt schlechter als viele Regionen in Nord- und Ostdeutschland entwickelten. Es braucht eine präventive Struktur- und Regionalpolitik, denn gut die Hälfte der erzielten Wertschöpfung entsteht in den ländlichen Räumen. Auch aus gesellschaftspolitischer Perspektive ist dies von zentraler Bedeutung. Denn in „Transformationsregionen“ wird in statistisch signifikantem Ausmaß häufiger die AfD gewählt (Kempermann 2024)

Heimatpolitik als Strukturpolitik

Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMLEH) hat die Zuständigkeit für gleichwertige Lebensverhältnisse und regionale Kultur aus dem Bundesinnenministerium übernommen. Das BMLEH will mit seiner Heimatpolitik die regionale Vielfalt, das Miteinander und die regionale Wertschöpfung stärken. Für den DBV muss Heimatpolitik mehr sein als das“ Miteinander“ in den Regionen – sie muss Strukturpolitik sein, bei der Digitalisierung und Innovationen in ländlichen Räumen vorangetrieben werden, Daseinsvorsorge gesichert und regionale Wertschöpfung gefördert wird. Wir erwarten, dass das BMLEH hier gestaltend und abgestimmt mit den Ressorts agiert und auf den guten Grundlagen aus den Vorgängerregierungen wie der Weiterentwicklung des Gesamtdeutschen Fördersystems (GFS) und der Fortsetzung des Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung sowie dem Deutschlandatlas aufbaut. Insbesondere bei der Ansiedlungspolitik von Behördenstandorten, beim Ausbau der Bundeswehreinrichtungen und bei der Strategie für Rechenzentren muss dezentral gedacht werden.

Wandel aktiv gestalten

Um die Wirtschaftskraft in ländlichen Räumen zu stärken, sind vielfältige Maßnahmen zügig notwendig. Die Zeit, aktiv und positiv zu gestalten, ist begrenzt. Erste wichtige Schritte wurden unternommen.

Das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität bietet Chancen für ländliche Räume: bessere Verkehrsanbindung, Breitband- und Mobilfunkausbau, Förderung erneuerbarer Energien und Wärmeversorgung. Der Erfolg hängt maßgeblich davon ab, dass die Mittel zusätzlich zu bestehenden Haushaltsmitteln fließen und durch Reformen begleitet werden. Regionalentwicklung gelingt nur, wenn Infrastrukturen aufgewertet werden und so wirtschaftliche Impulse für Unternehmen liefern.

Bürokratie abbauen – Handlungsspielräume schaffen

Mit einem Entlastungkabinetts plant die Bundesregierung 16 Milliarden Euro Bürokratiekosten einzusparen. Als DBV haben wir, wie viele andere Wirtschaftsbereiche, die wichtigsten Entlastungen und Bürokratieabbaumaßnahmen in einem 17-seitigen Katalog zusammengefasst. Unsere Forderung: 1:1 Umsetzung des europäischen Rechts, konsequente Streichung von untergesetzlichen und widersprüchlichen Vorgaben sowie Folgenabschätzung bei neuen Gesetzen unter Einbeziehung der Wirtschaft. Es braucht wieder mehr Mut für positive Verwaltungsentscheidungen,weg von „Verhinderung“ hin zu „Ermöglichung“. Zusätzlich dürfen Länder und Kommunen bei der Digitalisierung der Verwaltung nicht allein gelassen werden. Es ist nicht sinnvoll, dass jedes Land sein eigenes Verwaltungsverfahren aufsetzt, insbesondere dort, wo vor Ort keine Entscheidungsspielräume bestehen. Eine gelingende Digitalisierungsreform ist überfällig.

Regionale Förderung auch zukünftig vor Ort sichern

Die Ausrichtung des Mehrjährigen Finanzrahmens und die ländliche Entwicklung spielt für die Regionen – in Deutschland die Bundesländer – eine wichtige Rolle, da ein wesentlicher Teil der Fördermittel dort geplant und verausgabt werden. Seit Bekanntwerden der Kommissionsvorschläge hat der DBV gemeinsam mit den Landesverbänden die geplanten Kürzungen des GAP-Budgets, die faktische Abschaffung der bewährten Zwei-Säulen-Struktur und die Integration in einen allgemeinen Partnerschaftsfonds je Mitgliedstaat scharf kritisiert. Das im November von der EU-Kommission vorgeschlagene Mindestziel von 10 % der NRP-Mittel für ländliche Räume (ca. 45 Mrd. Euro) ist ein erstes, wichtiges Signal in die richtige Richtung. Es ersetzt aber nicht den drohenden Wegfall der 2. Säule der GAP. Die 2. Säule der GAP (ELER) ist unverzichtbar. Sie stärkt Nachhaltigkeit, Resilienz, Investitionen, Innovationen und den Generationenwechsel in der Landwirtschaft und ergänzt die 1. Säule der GAP. Der DBV fordert ein eigenständiges, zweckgebundenes Budget für die 2. Säule der GAP von mindestens 95–100 Mrd. Euro sowie ein eigenes Kapitel „Ländliche Entwicklung“ in der GAP-VO mit klaren Zielen und Maßnahmen u.a. für Wissenstransfer, Investitionen, AUKM, Förderung benachteiligter Gebiete, Risikomanagement, Flurneuordnung und Dorferneuerung und LEADER und eine dezentrale Mittelverwaltung auf Länderebene. Ansonsten wird es aufgrund der unterschiedlichen Kofinanzierungssätze zu erheblichen Verzerrungen zwischen Maßnahmen und Regionen kommen. Hier sind nun die Mitgesetzgeber (Rat und Parlament) gefordert, grundsätzliche, richtungsweisende Überarbeitungen für einen modernisierten MFR und eine zukunftsfähige GAP einzuarbeiten und gravierende Fehlentwicklungen durch die Kommissionsvorschläge zu verhindern.

Vertrauen in die Politik zurückgewinnen

Immer weniger Menschen glauben, dass der Staat seine Aufgaben erfüllt. Nach aktueller Bürgerbefragung des Deutschen Beamtenbund trauen nur etwa ein Viertel der Deutschen dem Staat zu, seine Aufgaben zu erfüllen. In Ostdeutschland sogar nur 17 %. Gleichzeitig halten rund 70% den Staat für überfordert, vor allem bei komplexen Themen wie Asyl- und Flüchtlingspolitik, Bildung, Rente und innere Sicherheit.

Das ist ein Alarmzeichen. Denn ein handlungsfähiger Staat ist die Grundlage für Vertrauen und unsere Demokratie. Was heißt das konkret? Die Menschen in den Regionen müssen den Staat im Alltag wieder als verlässlich erleben, z.B. beim Basisangebot an Daseinsvorsorge bei Kitas und Schulen, bei funktionierenden Bürgerämtern, beim der grundlegenden Gesundheitsvorsorge und bei einer leistungsfähigen Breitbandinfrastruktur. Unsere Unternehmer brauchen Verlässlichkeit und Planungssicherheit, damit Investitionen nicht zum Risiko werden.

Wir brauchen mehr Dialog und gegenseitiges Verständnis zwischen Stadt und Land. Unterschiede sind gut – sie machen unser Land vielfältig. Sie sollten uns bereichern und nicht trennen. Transformation wird nur gelingen, wenn Land und Stadt als Partner auf Augenhöhe betrachtet werden.

Unsere Regionen sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Hier entstehen Innovationen, hier engagieren sich Menschen ehrenamtlich, hier lebt Gemeinschaft. Jetzt ist die Zeit zu handeln – für starke ländliche Regionen, für Demokratiefestigkeit und für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.