Der Deutsche Bauernverband informiert mit diesem Faktencheck betroffene Landwirte über den Umgang mit Stalleinbrüchen, Möglichkeiten zur Vorbeugung, über die juristische Bewertung des widerrechtlichen Eindringens in Ställe und der Veröffentlichung hierbei erlangter Bild- und Videomaterialien sowie nicht zuletzt über Handlungsoptionen für die Betriebe.
Die landwirtschaftliche Nutztierhaltung steht wie kaum ein anderer Betriebszweig im Fokus einer medialen und gesellschaftlichen Debatte. Die deutschen Tierhalter stehen für einen sachlichen Dialog und eine ständige Weiterentwicklung der Nutztierhaltung. Dazu gehören stetige Verbesserungen im Bereich der Tiergesundheit, der Haltungsverfahren und eine noch weitergehende Verbesserung des Tierschutzes. Sie öffnen der interessierten Öffentlichkeit zunehmend ihre Ställe, um die geforderte Transparenz im Rahmen des veterinärrechtlich Zulässigen und Möglichen zu gewährleisten. Eine große Zahl von Verbrauchern mit gewandelten und höheren Erwartungen an die Tierhaltung legt Wert auf mehr Tierwohl und hat Interesse und ein großes Informationsbedürfnis in Sachen Tierhaltung.
Vor diesem Hintergrund agieren jedoch kleine Gruppen aus der Tierrechtler-Szene mit Militanz und einem Selbstverständnis, das jenseits der Rechtsordnung und der Grundsätze eines demokratischen und geregelten Miteinanders steht. Widerrechtliches Eindringen in Ställe, Einbrüche, unter zweifelhaften Umständen hergestellte Bilder und persönliche Diffamierung von Tierhaltern sind die Methoden dieser Gruppen, die damit nicht selten ihr Spendenaufkommen maximieren. Die gestiegene Zahl von gezielten Stalleinbrüchen in landwirtschaftlichen Betrieben durch so genannte „Tierschutzaktivisten“ ist nicht hinnehmbar, gefährdet die Tiergesundheit und stellt eine starke Belastung für den persönlichen Lebensbereich der Bauernfamilien dar. Zudem wird im Zuge dieser illegalen Aktionen rechtswidrig erlangtes Bild- und Filmmaterial – zum Teil erst nach erheblichem Zeitablauf – über verschiedene Medienkanäle der Öffentlichkeit zugespielt. Obwohl regelmäßig daran anknüpfende Ermittlungen der zuständigen Behörden zur Entlastung der Betriebe führen, entsteht in Medien und Öffentlichkeit ein anderes Bild. Daher verlangen die Landwirte von Politik und Gesellschaft eine Ächtung solcher Praktiken, ein klares Bekenntnis zur Landwirtschaft, zur Nutztierhaltung, zum Schutz des Eigentums und der Persönlichkeitsrechte der Bauernfamilien. Der Deutsche Bauernverband informiert mit dieser Broschüre betroffene Landwirte über den Umgang mit Stalleinbrüchen, Möglichkeiten zur Vorbeugung, über die juristische Bewertung des widerrechtlichen Eindringens in Ställe und der Veröffentlichung hierbei erlangter Bild- und Videomaterialien sowie nicht zuletzt über Handlungsoptionen für die Betriebe.
Unabhängig vom konkreten Fall eines Stalleinbruchs sollte sich jeder Betrieb Gedanken zur Sicherung seiner Stallanlagen machen. Ist eine Sicherung der Ställe überhaupt erforderlich? Schließlich mögen Sie denken: „Ich habe doch nichts zu verbergen!“ Eine erhöhte Stallsicherheit soll jedoch nicht in erster Linie dazu dienen, ungenehmigte Foto- und Videoaufnahmen zu verhindern. Vielmehr geht es darum, die Sicherheit und Gesundheit Ihrer eigenen Tiere zu gewährleisten. Denn durch das unbefugte Betreten werden in erster Linie Ihre Tiere gefährdet. Zum einen werden diese in ihrer vertrauten Umgebung in ihrer Ruhe gestört. Zum anderen besteht die Gefahr, dass durch unbefugte Personen Keime und Krankheitserreger in Ihre Stallungen eingetragen werden. Dies ist gerade in Anbetracht der Ausbreitungsgefahr von Tierseuchen und Krankheiten von enormer Bedeutung.
Hausfriedensbruch nach § 123 StGB
Wenn jemand in das „befriedete Besitztum“ eines Anderen widerrechtlich eindringt, macht er sich grundsätzlich eines Hausfriedensbruchs strafbar. „Befriedetes Besitztum“ im strafrechtlichen Sinne sind Grundstücksflächen oder Gebäude, welche in äußerlich erkennbarer Weise durch Mauern, Zäune, Hecken o.ä. Vorrichtungen gegen das beliebige Betreten durch Andere gesichert sind. Darunter fallen auch Ställe auf einem Hofgelände. Mit dem unbefugten Betreten einer Stallanlage kann daher der Tatbestand des Hausfriedensbruchs verwirklicht sein. Diese Straftat wird von der Polizei jedoch nur auf Antrag verfolgt. Landwirte sollten deshalb bei der Polizei bei Eindringen unbefugter Dritter grundsätzlich einen Strafantrag stellen.
LG Heilbronn1 und OLG Stuttgart2 stellten Hausfriedensbruch durch Eindringen von Aktivisten in eine Geflügelmastanlage fest. Ein bloßer Generalverdacht tierschutzrechtlicher Verstöße löst keine Notstandssituation aus, zudem obliege dem Staat der Schutz der Tierwelt, erklärte das Gericht. Im Vordergrund stand den Aktivisten die Sammlung von Filmmaterial, jedoch keine Rettungsabsicht. Das OLG Naumburg3 wiederum sprach Tierschützer vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs frei. Es sah die Tat als gerechtfertigt, da den Eindringenden sichere Hinweise auf massive Tierschutzverstöße bekannt waren und das zuständige Veterinäramt bewusst untätig geblieben sei. Das Gericht betonte jedoch auch hier, bloße Vermutungen des Verstoßes gegen Tierschutzvorschriften reichen nicht aus und maßgeblich sei der Staat für die Feststellung von Verstößen zuständig.
(1) LG Heilbronn, Urteil vom 23.05.2017 - 7 Ns 41 Js 15494/15
(2) OLG Stuttgart, Urteil vom 04.09.2018 - 2 Rv 26 Ss 145/18
(3) OLG Naumburg, Urteil vom 22.02.2018 - 2 Rv 157/17
Sachbeschädigung nach § 303 StGB
Im Zusammenhang mit Stalleinbrüchen kann es auch zu Sachbeschädigungen kommen. Sollten durch das Eindringen in einen Stall Schäden entstanden sein, liegt auch eine strafbare Sachbeschädigung vor. Auch das Eintragen von Krankheitserregern, spätere, nach der Ansteckungszeit sichtbar werdende Krankheitsausbrüche oder stressbedingte Verletzungen und Todesfälle von Tieren erfüllen den Tatbestand der Sachbeschädigung.
Diebstahl nach § 242 StGB
Bei Stalleinbrüchen kann es auch zu Diebstählen kommen, wenn Gegenstände aus der Stallanlage mit der Absicht entfernt werden, diese auch tatsächlich zu behalten. Sind Stallgebäude durch Schließmechanismen gesichert, die die Täter überwinden, um in das Stallgebäude einzudringen und entwenden Sie dann Gegenstände, liegt sogar ein besonders schwerer Fall von Diebstahl vor.
Unterlassungsanspruch
Das unbefugte Betreten von Stallanlagen durch fremde Personen stellt zivilrechtlich eine Beeinträchtigung des Eigentums dar. Eine solche Beeinträchtigung muss der Eigentümer nicht dulden. In der Regel ist die Beeinträchtigung aber nur vorübergehender Natur und mit dem Verlassen des Stallgebäudes wieder beendet. Der Eigentümer kann deshalb dem Täter das zukünftige Betreten ausdrücklich durch Urteil verbieten lassen. Zugleich kann für den Fall des Zuwiderhandelns ein hohes Ordnungsgeld oder ersatzweise Ordnungshaft angedroht werden.
Schadenersatz
Schadenersatzansprüche bestehen, wenn durch oder bei dem unzulässigen Eindringen eine Sache beschädigt wurde. Insbesondere bei Eintragung von Krankheiten oder Tod eines Tieres kommen Schadenersatzansprüche in Betracht. Allerdings muss die Verursachung eindeutig bewiesen werden und das Verschulden des Schädigers vorliegen.
Verbreitungsverbot von Bildmaterial
Die Landwirte haben die Möglichkeit, gegen eine Verbreitung und Veröffentlichung der Film- oder Fotoaufnahmen vor Zivilgerichten auf Unterlassung der Verbreitung und Veröffentlichung zu klagen. Eine solche Klage kann sich sowohl gegen den Eindringenden als auch beispielweise gegen Medienbetreiber richten, die dieses Material verwenden und verbreiten. Ob die Verbreitung und Vervielfältigung ungenehmigter Film- oder Fotoaufnahmen unzulässig sind, ist jedoch vom konkreten Einzelfall abhängig. Gerichte müssen stets das öffentliche Informationsinteresse und die Meinungs- und Medienfreiheit gegen die Persönlichkeitsrechte und unternehmensbezogenen Interessen der betroffenen Landwirte abwägen. Maßgeblich für die Prüfung der Einzelfallentscheidung zugunsten des Landwirtes ist, ob
- die Informationen rechtswidrig vom Verbreitenden beschafft wurden,
- unzutreffende Informationen wiedergegeben und unwahre Tatsachen behauptet werden
- Tierschutzbestimmungen eingehalten werden
- Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse veröffentlicht werden
- keine Möglichkeit der vorherigen Stellungnahme eingeräumt wurde.
In einigen Fällen werden dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und der Medienfreiheit ein höheres Gewicht beigemessen. So hatte der BGH4 zum Nachteil eines Landwirts entschieden. Für das Gericht stand fest, dass keine unwahren Tatsachenbehauptungen oder Geschäftsgeheimnisse durch die Aufnahmen wiedergegeben, sondern zutreffend die vorgefundenen tatsächlichen Verhältnisse des Stalles dokumentiert wurden. Dass Medien besonderen journalistischen Sorgfaltspflichten unterliegen, zeigt die Entscheidung des OLG Stuttgart5 . Ein Tierschutzverein hatte Namen und Standort eines Kaninchenzuchtbetriebes zusammen mit Vorwürfen der Tierquälerei auf seiner Internetseite veröffentlicht, ohne dem Betrieb die Möglichkeit einzuräumen, zuvor Stellung zu beziehen.
(4) BGH, Urteil vom 10. April 2018 - VI ZR 396/16
(5) OLG Stuttgart, Urteil vom 01.02.2023 - 4 U 144/22
a) Vorsorge: Stall- und Tiersicherheit
Überprüfen Sie im Interesse der Sicherheit und Gesundheit Ihrer Tierbestände die Sicherheitsvorkehrungen für Ihre Hofstelle, Ihr Betriebsgelände sowie für Ihre Stallgebäude und -einrichtungen insbesondere auf folgende Punkte:
- ausreichende Einfriedung und Beleuchtung, ggf. mit Bewegungsmeldern,
- mechanische oder elektronische Schließsysteme und Schließanlagen,
- gesonderte Einzäunung von Stallgebäuden,
- Alarmanlagen und Videoüberwachung.
Welche Maßnahmen am besten unter Ihren betrieblichen Bedingungen erforderlich und ausreichend sind, sollte mit Experten für Sicherungstechnik erörtert werden. Dokumentieren Sie aktuell Ihre Sicherheitsvorkehrungen, betriebliche Eigenkontrollen, tierärztliche Untersuchungen und Kontrollergebnisse der Veterinärämter.
b) Bei Feststellung eines Stalleinbruchs
Im Falle der Feststellung eines Stalleinbruchs durch unbefugte Dritte oder einer Sachbeschädigung sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:
- umgehende Benachrichtigung der Polizei und Stellen eines Strafantrages wegen Hausfriedensbruch,
- bei Feststellung des Eindringens einer unbefugten Person „auf frischer Tat“ Ruhe bewahren und umgehend die Polizei benachrichtigen. Keine Anwendung körperlicher Gewalt, aber ggf. vorübergehendes Festhalten der unbefugten Person durch Verschließen der Stallgebäude bis Eintreffen der Polizei. Die eigene Sicherheit sollte aber stets an erster Stelle stehen.
- Sind Schäden (Sachschäden, Schäden an Tieren einschließlich später eingetretener gesundheitlicher Probleme im Tierbestand) eingetreten, sollten diese dokumentiert werden, ggf. unter Hinzuziehung des Hoftierarztes oder externer Sachverständiger. Eine Schadensanzeige sollte auch im Rahmen der betrieblichen Versicherungen erfolgen.
- Die Möglichkeiten der gerichtlichen Geltendmachung zivilrechtlicher Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche sind zu prüfen. Voraussetzung ist i.d.R. die Ermittlung der Identität der eingedrungenen unbefugten Personen. Hier sollte die Beratung durch die Geschäftsstellen der Kreis-, Regional- und Landesbauernverbände bzw. von Rechtsanwälten in Anspruch genommen werden.
- Insbesondere beim Verdacht, dass Video- und Fotomaterial zur späteren medialen Verwertung erstellt worden ist, sollte der Hoftierarzt und das zuständige Veterinäramt informiert werden, um die Haltungsbedingungen im Betrieb überprüfen zu lassen und zeitnah eine ordnungsgemäße Tierhaltung belegen zu können.
- Ist der Betrieb in ein Qualitätssicherungssystem eingebunden (QS, Initiative Tierwohl oder ähnliche Systeme), muss der Systembetreiber oder Bündler informiert werden. QS hält dafür einen „Meldebogen für den Ereignisfall“6 bereit. Kurzfristig anberaumte Sonderaudits sind eine sinnvolle Maßnahme, um auch hier die tatsächliche Situation im Betrieb dokumentieren zu können.
(6) Ereignisfallblatt „Tierhaltung und Tiertransport“ unter https://www.q-s.de/ereignisjournal-geschuetzt/startseite-ereignisjournal.html#ereignisfallblaetter abrufbar
c) Konsultation eines Medienanwaltes
Lassen Sie prüfen, ob unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gegen eine beabsichtigte Verbreitung und Veröffentlichung durch Medien presserechtlich vorgegangen werden und im besten Falle unterbunden werden kann. Eine Begleitung durch einen Anwalt mit besonderer Fachkompetenz im Presse- und Medienrecht ist in Anbetracht der hierbei zu bewertenden speziellen Rechtsfragen und ggf. Besonderheiten des Einzelfalls anzuraten.
Umgang mit Medienanfragen
- Häufig werden im Nachgang von Stalleinbrüchen Anfragen von Journalisten zu Interviews, Stellungnahmen oder Aufnahmen gestellt. Hier ist zu bedenken, dass solche Anfragen im Nachhinein medienrechtlich so interpretiert werden, dass dem betreffenden Betrieb die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben wurde. Das kann gerichtliche Schritte gegen eine Veröffentlichung widerrechtlich erlangten Materials erschweren.
- Es ist auf einen fairen und redlichen Umgang miteinander Wert zu legen.
- Abhängig von den Medien und ggf. bisheriger Erfahrungen kann die Zustimmung zu einem Interview sowie die Rechte des Interviewten schriftlich fixiert werden.
- Bei überraschenden Interviews durch Vorhalten eines Mikrofons oder/und vor laufendem/r Band/Kamera sollte, wenn dies nicht gewollt ist, der Befragte die Antwort und die Aufzeichnung von Bild und Ton direkt verweigern.
- Auch hier: Mitglieder erhalten Unterstützung bei ihrem Kreisbauernverband.