18.05.2022

Zum Vorschlag des Bundesumweltministeriums nach einem Ende anbaubasierter Biokraftstoffe bis 2030 fordert der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, dringend eine Versachlichung der Debatte: „Viele Argumente für eine Fortführung von Biokraftstoffen werden derzeit bewusst ausgeblendet. Aus Sicht der Landwirtschaft gibt es viele Vorteile vor allem in Form aufgelockerter Fruchtfolgen, der Bereitstellung heimischer Eiweißfuttermittel und zusätzlicher heimischer Wertschöpfung. Überstürzte Kürzungen bei Biokraftstoffen gefährden die Einhaltung von Klimazielen im Verkehrssektor und würden die Importe von wenig nachhaltigem Sojaschrot und von fossilen Kraftstoffen erhöhen. Auch die erhöhte Mehrfachanrechnung bei Elektromobilität und Wasserstoff und Emissionsminderungen in Erdölraffinerien senken keine Emissionen, sondern sind nur buchhalterische Maßnahmen und damit eine Illusion von Klimaschutz. Die Klimaziele im Verkehrssektor werden schon mit den bisher vorgesehenen Maßnahmen nicht erreicht.“ Die Behauptung des Bundesumweltministeriums, dass die Klimaschutzwirkung von Biokraftstoffen zweifelhaft ist, beruhe zudem auf wenig seriösen Studien. Die etablierte vorhandene Nachhaltigkeitszertifizierung schließt seit 2008 konsequent Biokraftstoffe aus illegalen Landnutzungsänderungen aus. Der 2021 beschlossene Ausschluss von Palmöl ab 2023 ist eine weitere wichtige Vorkehrung.

Aus Sicht des Deutschen Bauernverbandes bestehen gute Argumente für eine Fortführung der Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse im bisherigen Rahmen:

  • Biokraftstoffe ersetzen 1:1 fossile Kraftstoffe, die bekanntlich zu erheblichen Anteilen aus Krisenregionen stammen. Eine Begrenzung oder ein Ende der heimischen Produktion von Biokraftstoffen führt damit unweigerlich zu einer stärkeren Abhängigkeit von solchen Einfuhren. Der physische Beitrag zur Kraftstoffversorgung durch Biokraftstoffe, die Importe fossiler Kraftstoffe ersetzt haben, betrug allein in Deutschland zuletzt bis zu 4,5 Millionen Tonnen.
  • Biokraftstoffe werden fossilen Kraftstoffen in Deutschland aufgrund der gesetzlich verankerten Treibhausgasminderungs-Quote (THG-Quote) beigemischt, um die Emissionen im Verkehr wirksam zu reduzieren. Im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen mindern Biokraftstoffe Emissionen um bis zu 92 Prozent und sparen hierzulande jährlich weit über 10 Mio. Tonnen klimaschädliches CO2 ein - allein im Jahr 2020 rund 13,2 Mio. Tonnen.
  • Biokraftstoffe unterliegen - im Gegensatz zur batterieelektrischen Mobilität oder E-Fuels - einer strengen, rechtlich verankerten Nachhaltigkeitszertifizierung.  
  • Biokraftstoffe weisen derzeit einen Anteil von über 98 Prozent an den erneuerbaren Energien im Straßenverkehr aus. Ihr kurz- und mittelfristiger Ersatz im Hinblick auf die Klimaschutzleistung ist aus heutiger Sicht nicht möglich: Ohne Biokraftstoffe werden die gesetzlichen Vorgaben zum Klimaschutz in den kommenden Jahren im Sektor Verkehr somit deutlich verfehlt.
  • Die in der 38. BImSchV festgelegte Obergrenze für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse ist im Rahmen der Umsetzung der Erneuerbare Energien Richtlinie II der EU (RED II) in nationales Recht im Herbst 2021 von 6,5 auf 4,4 Prozent abgesenkt worden. Eine erneute Änderung dieser Regelung würde sich als massiv schädlich im Hinblick auf Verlässlichkeit, Investorenvertrauen und Planungssicherheit für Wirtschaftsbeteiligte erweisen. Die Obergrenze ist keine „Zielquote“, sondern gibt das maximal mögliche Rohstoffpotenzial für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse vor.
  • Eine Begrenzung des Beitrages und damit der Emissionsminderungsleistung von Biokraftstoffen erscheint auch deshalb inakzeptabel, weil der Straßenverkehr Teil der europäischen Effort Sharing Regulation (ESR – Lastenteilungsverordnung) ist. Deutschland ist dazu verpflichtet, die Einhaltung der ESR-Ziele präzise zu dokumentieren. Eine Zielverfehlung muss durch den Kauf von Emissionsrechten anderer Mitgliedstaaten, die ihre Ziele übererfüllt haben, ausgeglichen werden. Dies belastet den Bundeshaushalt in Milliardenhöhe und ist vermeidbar.
  • Nicht zuletzt sind die bei der Herstellung von Biokraftstoffen aus Ölsaaten und Futtergetreide produzierten Koppelprodukte wie zum Beispiel Proteinfuttermittel von großer Bedeutung für die Tierhaltung. Diese Koppelprodukte tragen damit signifikant zur Verbesserung der Selbstversorgung mit Lebensmitteln bei. Der durch eine Beschränkung der Biokraftstoffproduktion entstehende Wegfall von Futtermitteln müsste wiederum durch Importe ersetzt werden.
  • Die Biokraftstoffproduktion macht die Bioökonomie greifbar: Die ebenfalls anfallenden Basischemikalien Glycerin und Ethanol werden in Deutschland heute nicht mehr aus fossilen Quellen gewonnen, sondern aus nachhaltig zertifizierter Biomasse mit erheblich besserer CO2-Bilanz. Beide Produkte werden etwa zur Herstellung von Desinfektionsmitteln benötigt. Lecithin aus der Ölsaatenverarbeitung wird als pflanzlicher Emulgator in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie eingesetzt.
  • Einschränkungen der Produktion von Biodiesel und Bioethanol würden folglich unerwünschte Folgen für die klimafreundliche heimische Versorgung mit Futtermitteln und Basischemikalien bedeuten und die nationalen und europäischen Ziele in Bezug auf Versorgungssicherheit und Klimaschutz offen konterkarieren.