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Johann Meierhöfer
Fachbereichsleiter Pflanzliche Erzeugung | Energie
Foto: MIKA-fotografie | Berlin

In den letzten Monaten hat sich sowohl auf europäischer als auch auf deutscher Ebene politisch durchaus einiges bewegt. Auch wenn in Brüssel die erhofften großen Durchbrüche noch ausbleiben, zeigen sich immerhin in Deutschland erste positive Ansätze. Wer jedoch auf den großen Aufbruch gehofft hatte, sieht sich bisher enttäuscht. Gerade weil es auch damit zu tun hat, dass inzwischen oft das Geld fehlt, ist es umso wichtiger, die Betriebe anderweitig zu entlasten.

Die deutsche und europäische Agrarpolitik weist derzeit eine komplexe bürokratische Struktur auf, die selbst erfahrene Landwirte vor erhebliche Herausforderungen stellt. Während Brüssel und Berlin kontinuierlich neue Verordnungen entwickeln, kämpfen die Betriebe um ihr wirtschaftliches Überleben. Die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission zur Umstrukturierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) stellen eine erhebliche Belastung für alle europäischen Landwirte dar. Eine faktische Kürzung von über 20 Prozent bei gleichzeitiger Verschärfung der Auflagen ist mehr als problematisch. Während sich die Spielregeln für den Welthandel grundlegend verändern und äußerst robuste Methoden dominieren, werden dem Wirtschaftszweig, welcher die Grundlage für die Ernährungssicherung eines ganzen Kontinents bildet, massiv die finanziellen Mittel gestrichen. Es darf bezweifelt werden, ob das klug ist.

GAP ab 2027: neue Herausforderungen für wachsende Betriebe
Besonders problematisch ist auch die geplante obligatorische Degression und vollständige Kappung der Direktzahlungen. Diese Maßnahme stellt nicht nur eine wirtschaftspolitische Herausforderung dar, sondern greift erheblich in gewachsene Strukturen und unternehmerische Freiheit ein. Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass in anderen Wirtschaftszweigen Milliardensubventionen für Chipfabriken oder ähnliche Projekte nicht an derartige Größenbeschränkungen geknüpft werden. Dieser Ansatz offenbart einen fundamentalen Widerspruch in der EU-Politik: Einerseits versucht die EU mit der – allerdings völlig misslungenen – Überarbeitung der Gemeinsamen Marktordnung die bestehende Asymmetrie in den Geschäftsbeziehungen zwischen den meist kleinen Erzeugern und dem Rest der Wertschöpfungskette zu verringern. Andererseits sollen landwirtschaftliche Betriebe offensichtlich nicht über bestimmte Größen hinauswachsen – obwohl die Betriebsgröße nachweislich ein marktwirtschaftliches Mittel gegen Asymmetrien zwischen ungleichen Handelspartnern darstellt. Es gilt anscheinend das Motto: Warum auf die Wirtschaft vertrauen, wenn man etwas bürokratisch regeln kann?

Herausforderungen im Ökolandbau: praxisnahe Lösungen dringend gefragt
Ein weiteres anschauliches Beispiel für den Reformbedarf zeigt sich beim Ökolandbau und bei den aktuellen Weidevorschriften. Die derzeitigen Bestimmungen der EU-BioVerordnung sind ein deutliches Beispiel dafür, wie praxisferne Regelungen ganze Betriebszweige in erhebliche Schwierigkeiten bringen können. In Deutschland stehen durch die verschärften Auslegungen viele langjährige Biobetriebe vor der schwierigen Entscheidung einer erzwungenen Rückumstellung oder der kompletten Aufgabe ihrer Tierhaltung. In Österreich ist die Zahl der Biobetriebe 2023 und 2024 aus ähnlichen Gründen deutlich zurückgegangen – ein Warnsignal, das in Brüssel endlich ernst genommen werden sollte. Anstatt jedoch aus diesen problematischen Entwicklungen zu lernen, produziert die EU-Bürokratie weiterhin detaillierte Regelwerke. Jede noch so kleine veterinärmedizinische Besonderheit wird zu einem komplexen Regelwerk aufgebläht, das am Ende nur noch spezialisierte Anwälte vollständig verstehen. Die Konsequenz: Innovative Landwirte, die eigentlich Vorreiter für nachhaltiges Wirtschaften sein könnten, werden in ihrer Entwicklung gehemmt und geben frustriert auf.

Mindestlohn: Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Kontext unter Druck
Ein ähnliches Schicksal droht vielen Obst- und Gemüsebaubetrieben durch die aktuellen Entwicklungen beim Mindestlohn. Obwohl kontinuierlich über die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit diskutiert wird, plant Deutschland beim Mindestlohn erneut einen Alleingang, der wirtschaftlichen Sachverstand vermissen lässt. Während Kollegen in Polen mit 7,08 Euro, in Spanien mit 8,37 Euro oder in Griechenland mit 5,60 Euro kalkulieren können, sollen deutsche Betriebe mit mehr als dem Doppelten konkurrieren. Die geplante Erhöhung des Mindestlohns auf 14,60 Euro stellt für viele Obst-, Gemüse- und Weinbaubetriebe eine existenzielle Bedrohung dar, da die gestiegenen Kosten nicht vollständig an den Endverbraucher weitergegeben werden können. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist bereits heute absehbar: Der Selbstversorgungsgrad bei Gemüse liegt bereits bei nur noch 36 Prozent, bei Obst sogar bei nur 23 Prozent. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, werden wir unsere Äpfel, Birnen und Gurken bald komplett aus anderen EU-Ländern oder sogar aus dem Rest der Welt importieren müssen, wo sie mit Sicherheit nicht zu den gleichen hohen Umwelt- und Sozialstandards wie in Deutschland produziert werden. Dies scheint jedoch wenig zu stören, solange es weit genug entfernt von der eigenen Haustür – oder dem eigenen Wahlkreis – stattfindet.

Erneuerbare Energien: ungenutztes Potenzial aktivieren
Auch im Bereich der erneuerbaren Energien gibt es noch unausgeschöpftes Potenzial. Sowohl das Solarpaket I als auch das Biomassepaket warten in Brüssel auf Genehmigung. Die Verzögerung resultiert aus Bedenken der Kommission bezüglich möglicher hoher Gewinne subventionierter Unternehmen, basierend auf Erfahrungen während des Ukraine-Kriegs. Das Solarpaket I und das Biomassepaket sind wichtige Bausteine für die Energiewende und ermöglichen es Landwirten, aktiv daran teilzuhaben. Die Verzögerung bei der beihilferechtlichen Genehmigung des Solarpakets I resultierte aus der nicht vollständigen Umsetzung der Claw-Back-Regelung im EEG. Solche Unsicherheiten führen zu Frustration bei Anlagenbetreibern, Landwirten und Investoren, da die Planungssicherheit leidet.

Ausblick: Noch sehr viel Luft nach oben
Es ist Zeit für einen durchdachten Politikwechsel – sowohl in Deutschland als auch in Europa. Die jüngsten Vorschläge für den mehrjährigen Finanzrahmen sind allerdings ein denkbar schlechter Einstieg und bedürfen dringend einer Korrektur. Landwirte verstehen sich eben nicht nur als passive Empfänger von Subventionen, sondern als aktive Gestalter der Ernährungs- und Energiesicherheit. Sie benötigen vor allem Arbeitsmöglichkeiten unter fairen Bedingungen. Konkrete Verbesserungsvorschläge umfassen die Vereinfachung komplexer Detailregelungen, eine praxisnahe Gestaltung von Auflagen, die Harmonisierung der Standards in Europa, mehr Vertrauen in die Fachkompetenz der Landwirte sowie faire Wettbewerbsbedingungen europaweit. EU-Agrarkommissar Hansen hat Vereinfachungen angekündigt – wir werden ihn beim Wort nehmen.

Kooperative Ansätze sind zukunftsweisender als reine Regulierung. Landwirte wollen nicht nur Vorgaben abarbeiten, sondern aktiv mitgestalten. Mit den richtigen politischen Weichenstellungen kann dies gelingen. Die Landwirtschaft ist bereit, ihren Beitrag zu Ernährungssicherung, Klimaschutz und Biodiversität zu leisten. Dafür braucht sie jedoch geeignete Rahmenbedingungen und weniger bürokratische Hindernisse.