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Steffen Pingen
Fachbereichsleiter Umwelt | Nachhaltigkeit
(Foto: MIKA-fotografie | Berlin

Der Startschuss für die neue Bundesregierung ist gefallen, die ersten Arbeiten zur Umsetzung des Koalitionsvertrages laufen und der Koalitionsausschuss hat sich bereits auf Maßnahmen zur Belebung der Wirtschaft im Rahmen eines Sofortprogramms verständigt. Ermutigende Signale sendet auch Landwirtschaftsminister Alois Rainer in Rahmen seiner Antrittsrede im Deutschen Bundestag zur Bedeutung der Landwirtschaft als wichtigen Wirtschaftszweig und als unverzichtbaren Teil der Gesellschaft. Die Betonung von Unternehmertum, Wettbewerbsfähigkeit und verlässlichen Rahmenbedingungen sind wichtig, um Planungssicherheit zu schaffen und Investitionen zu fördern.

Für die Landwirtschaft hervorzuhebende Festlegungen der Koalitionäre auch mit großer Symbolwirkung waren unter anderem das Versprechen der Union im Wahlkampf, den Agrardiesel wieder einzuführen und die Stoffstrombilanz im Düngerecht abzuschaffen. Dass die beiden Vorhaben auch in dem vom Koalitionsausschuss der schwarz-roten Bundesregierung kürzlich vereinbarten Sofortprogramm vorgesehen sind, ist ein wichtiges Signal an die Landwirtschaft. Die Bundesregierung will unter anderem mit einer Investitionsoffensive und diversen Vereinfachungsvorschlägen bis zur Mitte des Jahres für jeden sichtbar machen, dass es mit Deutschland vorangeht. Die Richtung des Sofortprogramms stimmt, weitere Erleichterungen müssen folgen. Das Motto des Deutschen Bauerntages Ende Juni 2025 drückt in diesem Sinne auch die Erwartung des Berufsstandes aus: „Mehr Politikwechsel wagen“.

Überflüssige Bürokratie abschaffen

Bis zum Sommer umgesetzt werden sollen die Aufhebung der Verpflichtung zur Erstellung einer Stoffstrombilanz zur Reduktion von bürokratischen Pflichten in der Landwirtschaft. Das ist gut im Sinne der Abschaffung überflüssiger Bürokratie und längst überfällig für die Angleichung der Wettbewerbsbedingungen innerhalb Europas. Ohne EU-rechtliche Notwendigkeit war die Regelung von Beginn an ein Ärgernis für die Landwirte und ohne Nutzen für den Gewässerschutz. Jetzt kommt es darauf an, dass die Stoffstrombilanz auch tatsächlich ersatzlos gestrichen wird und nicht – wie in der letzten Legislaturperiode geplant war – durch eine andere betriebliche Bilanz ersetzt wird. Und: Die Akzeptanz bei den Betrieben in Sachen Düngerecht steht und fällt mit der Ankündigung im Koalitionsvertrag, im Rahmen der Novelle des Düngerechts auch Vereinfachungen und Befreiungen für besonders wasserschonend wirtschaftende Betriebe in den Roten Gebieten zu schaffen.

Glaubwürdigkeit der Umweltpolitik steht auf dem Prüfstand

Die Umweltpolitik steht in Deutschland in Bezug auf Landwirtschaft in zweierlei Hinsicht am Scheideweg. Zum einen steht nichts weniger als die Glaubwürdigkeit der Umweltpolitik ganz grundsätzlich auf dem Prüfstand, ob tatsächlich ein Politikwechsel eingeleitet wird oder aber erneut viele Versprechungen und Ankündigungen ohne Taten bleiben. Zum anderen besteht die Gefahr, dass eine weitere Lähmung zwischen dem Bundeslandwirtschaftsministerium und dem Bundesumweltministerium langfristigen Schaden für das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Umwelt und den seit vielen Jahren eingeschlagenen Weg der Verbesserung der Umweltleistungen und der Reduzierung von negativen Umweltwirkungen zur Folge haben wird.

An zwei Beispielen lässt sich die Brisanz der aktuellen Situation und die Herausforderungen der Legislaturperiode für Deutschland insgesamt festmachen: Dem künftigen Um gang mit dem Wolf und der Umsetzung der EU-Naturwiederherstellungsverordnung. In den nächsten zwei Jahren muss es gelingen, die Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes auf internationaler und europäischer Ebene nicht nur formal national zu übernehmen, sondern auch ein echtes Bestandsmanagement sowie eine funktionierende Problemwolfentnahme in der Praxis umzusetzen. Eine weitere Legislaturperiode ohne echte Fortschritte im Sin ne der Weidetierhalter treibt die Betroffenen zur problematischen Selbsthilfe. Dies lässt das Frustrationspotenzial im ländlichen Raum und bei den Haltern von Schafen, Ziegen, Rindern, Pferden und landwirtschaftlichem Gehegewild weiter anwachsen. Die Wolfspolitik ist nicht erst jetzt ein Symbol für die Probleme zwischen Stadt und Land, zwischen Schutz und Nutzung und auch ein gutes Beispiel für abgehobene Politik versus Lösung der Probleme der Menschen.

Vertrauen in die Umweltpolitik muss neu aufgebaut werden

Auch beim Thema europäische Naturwiederherstellungsverordnung müssen Vertrauen und Glaubwürdigkeit der Umweltpolitik neu aufgebaut werden. Einerseits wurde in den letzten zwölf Monaten stets betont, dass die neuen Vorgaben zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme und zur Schaffung von neuen Strukturen in der Landschaft ausschließlich freiwillig und in Kooperation mit Landnutzern und Grundeigentümern umgesetzt werden sollen. Zugleich wurde aber ein Naturflächenbedarfsgesetz ins Spiel gebracht. Dies ist kein Ausweis glaubwürdiger Politik und kann die Auseinandersetzung zwischen Landwirtschaft und Naturschutz fünfzehn Jahre zurückwerfen. Die Fortschritte der letzten Jahre und die Bereitschaft der Landwirte, praxistaugliche Lösungen mitzutragen, sind keine Selbstverständlichkeit und dürfen keine Einbahnstraße sein. Von Seiten der Umweltpolitiker und Umweltverbände müssen Zusagen verlässlich eingehalten werden. Die Umsetzung der FFH-Richtlinie in den 2000er Jahren mit vollmundigen Versprechungen eines Bestandsschutzes für die bestehenden Bewirtschaftungen, des Vorrangs der Freiwilligkeit und Kooperation sowie zusätzlicher finanzieller Mittel für Landwirte in FFH-Gebieten kollidiert seit Jahren mit der Realität zunehmender Auflagen und Verbote für die Bewirtschaftung.

Kooperations- und Freiwilligkeitsprinzip braucht verbindliche Vereinbarung

Vorkaufsrechte für den Naturschutz in der Agrarlandschaft, selbst wenn „nur“ in Naturschutzgebieten angedacht, sind ein Eingriff in das Eigentum von Grund und Bo den und damit für die Landwirtschaft inakzeptabel, abgesehen davon sind sie vollkommen unnötig zur Umsetzung der neuen europäischen Vorgaben. Die Gefahr ist, dass damit einzig und allein dem Flächenhunger des Naturschutzes genüge getan wird, ohne zuvor einen kritischen Kassensturz der flächenmäßigen Überplanung der Landschaft durch den Naturschutz vorgenommen zu haben. Die Land- und Forstwirte sowie Grundeigentümer bei der Naturwiederherstellung ins Boot zu holen, geht nur mit einer verbindlichen Festlegung des Kooperations- und Freiwilligkeitsprinzips in einer Vereinbarung zwischen den Umweltpolitikern von Bund und Ländern sowie dem Berufsstand. Zudem bedarf es einer Neujustierung der europäischen Vorgaben mit einer klaren Priorität auf Freiwilligkeit, Förderung, Kooperation und finanzielle Anreize. Der Paradigmenwechsel in der Naturschutzpolitik von einem Verschlechterungsverbot und zusätzlicher Förderung der Artenvielfalt über kooperative Maßnahmen hin zu einem Gebot der Wiederherstellung historischer Zustände und der Neuschaffung von Ökosystemen wird fundamental scheitern. Er wird scheitern, wenn die Betroffenen nicht verbindlich einbezogen, auf Augenhöhe und im Konsens Strategien entwickelt und mit zusätzlichen finanziellen Mitteln Naturschutzmaßnahmen um gesetzt werden. Jeglichem ordnungsrechtlichen Handeln, einer naturschutzfachlichen Überplanung der Landschaft und Eingriffen in das Eigentum muss eine Absage erteilt werden.

Politikwechsel – jetzt!

Die Bundesregierung insgesamt, speziell aber auch das Bundesumweltministerium, sind nun gefordert, einen Politikwechsel und eine glaubwürdige Strategie zur Umsetzung der anstehenden Herausforderungen in enger Zusammenarbeit mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium auf den Weg zu bringen. Die Grabenkämpfe der Vergangenheit dürfen nicht neu belebt und Feindbilder gepflegt werden. Vielmehr müssen Versprechungen und Ankündigungen eingehalten werden.