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Stefanie Sabet
Generalsekretärin des Deutschen Bauernverbandes
Foto: Breloer für DBV

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bildet den Rahmen für die landwirtschaftlichen Betriebe in Europa als Basis unserer Lebensmittelversorgungskette. Die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission zur GAP ab 2028 sehen eine weitreichende Reform der bisherigen Förderstruktur vor. Besonders kritisch zu bewerten sind das gekürzte Gesamtbudget, die Renationalisierung und die geplanten Maßnahmen zur Degression und Kappung der Direktzahlungen. Die Folgen für die Landwirtinnen und Landwirte sind derzeit nur schwer abschätzbar, was zu großer Unsicherheit führt.

Unternehmerische Eigenverantwortung durch Wettbewerbsfähigkeit stärken

Mit den GAP-2028-Vorschlägen der EU-Kommission sind die Diskussionen um die strategische Ausrichtung der europäischen Landwirtschaft entbrannt. Es geht um nichts weniger als um die Zukunft Europas und seines Binnenmarkts, seiner Landwirtschaft und der ländlichen Räume sowie der Versorgungssicherheit Europas. Die deutschen Landwirtinnen und Landwirte sind überzeugte Europäer und möchten weiterhin ihren Beitrag zur europäischen Einheit leisten. Daher muss das Kernstück der GAP auch künftig eine flächendeckende, wettbewerbsfähige Landwirtschaft in unternehmerischer Eigenverantwortung sein. Die GAP ist seit jeher Eckpfeiler und Stabilitätsanker der europäischen Integration und damit Rückgrat leistungsfähiger und dynamischer ländlicher Räume. Dieser Verantwortung muss sie auch in Zukunft gerecht werden. Die Vorschläge der EU-Kommission verfehlen weitreichend diesen Grundgedanken und können nur abgelehnt werden. Die Versorgung mit hochwertigen, sicheren und bezahlbaren Lebensmitteln ist keine Selbstverständlichkeit. Sie ist das Ergebnis harter Arbeit auf den Höfen – und einer starken, gemeinsamen Agrarpolitik.

Versorgungssicherheit ist Gemeinschaftsaufgabe

Gerade in Zeiten globaler Krisen braucht Europa eine solidarische, finanziell gut ausgestattete GAP, die alle Betriebsformen – ob groß oder klein – unterstützt und die Vielfalt der Landwirtschaft erhält. Denn um die potenziellen Risiken managen zu können, müssen wir Substanz erhalten und Wachstum zulassen. Europa als Friedensgemeinschaft muss daher die Versorgungssicherheit als Gemeinschaftsaufgabe sehen. Wenn jeder Mitgliedstaat künftig eigene Wege geht, drohen Lücken in der Versorgung, Preisschwankungen und ein Verlust an Stabilität. Die Reformvorschläge der EU-Kommission für die GAP ab 2028 gehen daher in die völlig falsche Richtung.

Zweckgebundenheit des GAP-Budgets europäisch absichern

Es braucht einen Stopp der faktischen Kürzungen bei der GAP. Die vorgesehenen 294 Mrd. Euro bedeuten real eine massive Kürzung von über 20 Prozent für Deutschland. Wenn die Politik erkannt hat, dass Investitionen in Infrastruktur und Versorgungssicherheit notwendig sind, dann muss das auch für die Landwirtschaft gelten. Das Budget der Gemeinsamen Agrarpolitik für die nächste Haushaltsperiode muss daher in realen Preisen mindestens stabil gehalten und eine verlässliche Einkommenswirkung für die Landwirte sichergestellt werden. Dazu gehört, die Zweckgebundenheit des GAP-Budgets europäisch abzusichern.

Bewährte Zwei-Säulen-Struktur erhalten

Die bewährte Struktur der GAP ist zu erhalten, es darf keine Renationalisierung geben. Die Abschaffung der Zwei-Säulen-Struktur und die Integration in einen allgemeinen Partnerschaftsfonds ist abzulehnen. Die GAP muss europäisch bleiben und die Entwicklung der ländlichen Räume muss im engen Schulterschluss mit der GAP ein eigenständiges Budget behalten. Nur so lassen sich gleiche Wettbewerbsbedingungen im europäischen Binnenmarkt und schließlich auch eine gemeinsame strategische Ausrichtung der europäischen Landwirtschaft schaffen. Gerade im Föderalstaat der Bundesrepublik Deutschland könnte es andernfalls zu massiven Strukturbrüchen kommen, wenn die Förderung von Landwirtschaft und ländlichen Räumen auseinanderliefe. Die Förderung zur Entwicklung des ländlichen Raums und die einkommenswirksame Förderung unserer Landwirte gehören beide als erste und zweite Säule als integraler Bestandteil in eine zukunftsfähige GAP. Sie fördern Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Innovationskraft, Investitionen, Resilienz und den Generationenwechsel in der Landwirtschaft.

Entbürokratisierung bleibt ungelöst

Eine zentrale Frage haben die Reformvorschläge der GAP ab 2028 darüber hinaus nicht gelöst, die Entbürokratisierung. Anstatt faire und praktikable Förderinstrumente strategisch in der GAP zu verankern, sind derzeit nur pauschale Eingriffe geplant. Besonders zu kritisieren sind die vorgeschlagene Degression und Kappung, die Abschaffung der Erste-Hektare-Förderung, die massive Ausweitung der gekoppelten GAP-Zahlungen und die unverhältnismäßige Bevorzugung extensiver Landwirtschaft ohne echte Verbesserungen für die Ernährungssouveränität und Wettbewerbsfähigkeit für die Landwirte. Die künftigen Förderinstrumente der GAP müssen für alle Betriebsformen und -größen gerecht, nachvollziehbar und einkommenswirksam ausgestaltet werden. Ziel muss es sein, allen Betrieben ein effizientes Wirtschaften in ihren jeweiligen Strukturen und ihrem jeweiligen Wettbewerbsumfeld zu ermöglichen. Eine pauschale Kürzung der Direktzahlungen ab bestimmten Flächengrößen ignoriert die betriebswirtschaftliche Realität und stellt viele Betriebe vor wirtschaftlich unlösbare Herausforderungen. Das gefährdet die Versorgungssicherheit, Wertschöpfung und Beschäftigung im ländlichen Raum, weil es wichtige Investitionen ausbremst. Insgesamt widerspricht der geplante Ansatz, Zahlungen nach „Bedürftigkeit“ zu differenzieren, dem Selbstverständnis der Landwirtinnen und Landwirte als Unternehmer. Landwirte wollen von ihrer Arbeit leben und nicht als „bedürftig“ eingestuft werden. Faktisch führt die Prüfung von Betriebsgrößen, Einkommensgrenzen und Sonderregelungen zu neuen Nachweisspiralen, was die Verwaltung der Fördermittel zusätzlich erschwert.

Fazit: Jetzt gegensteuern – für eine starke und solidarische GAP!

Als Fazit bleibt zum jetzigen Zeitpunkt, dass die von der EU-Kommission geplanten Reformen den europäischen Gedanken schwächen, die Versorgungssicherheit gefährden und die wirtschaftliche Stabilität und Vielfalt unserer Landwirtschaft untergraben. Nur gemeinsam, mit einer starken und solidarischen GAP, können wir die Herausforderungen der Zukunft meistern und die Ernährung Europas sichern. Daher braucht es klare Zuständigkeiten und eine Mitgestaltung durch die betroffenen Akteure. Die kommenden Verhandlungen werden hart und langwierig. Umso wichtiger ist es, dass auch die deutsche Bundesregierung von Beginn an eine klare Position für ihre Landwirtinnen und Landwirte bezieht: für eine eigenständige, finanziell gestärkte Gemeinsame Agrarpolitik, welche die Landwirtschaft und die ländlichen Räume in Europa und Deutschland einkommenswirksam unterstützt, wettbewerbsfähig aufstellt und mit Perspektiven in die Zukunft führt.