Zu wenig Entbürokratisierung im deutschen GAP-Strategieplan
EU-Agrarförderung

Zu wenig Entbürokratisierung im deutschen GAP-Strategieplan

DBV-Stellungnahme zur Änderung der GAP-InVeKoS-Verordnung

Im Zuge der jüngsten GAP-Reform sollten die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen und darlegen, die zur Vereinfachung und Entbürokratisierung beitragen. Dass derartige Initiativen der Bundesregierung im über 2.200-seitigen GAP-Strategieplan auf 2 Seiten passen (S. 423f. online unter https://t.ly/0hj5-) und sich vorrangig auf geplante Erleichterungen auf Ebene der Verwaltungen beschränken, ist sinnbildlich für die verpassten Chancen, eine unüberschaubare Vielzahl an Regelungs-, Dokumentations-, Nachweis- und Kontrollverpflichtungen konsistent und flächendeckend abzubauen. Wir haben im Jahr 2023 den Start einer GAP-Periode 2023-2027 erlebt, die in sehr vielen Bestandteilen korrektur- und verbesserungswürdig ist. Das betrifft den GAP-Strategieplan und die Grüne Architektur generell sowie die Konditionalität, die Ökoregelungen und die Antragssysteme im Detail.

Kritische Analyse und Überbürokratisierung nach der GAP-Reform
Insgesamt ist vom politischen Versprechen eines „neuen Liefermodells“ mit mehr Ergebnisorientierung sowie mit mehr Gestaltungsmöglichkeiten und weniger Bürokratie für die Landwirte nicht viel geblieben. Denn angesichts des von EU, Bund und Ländern geflochtenen Dickichts an Regelungen muss die kritische Frage erlaubt sein, ob Landwirte, Behörden und Berater wirklich noch vollends durchblicken. Für Ärger und Unverständnis bei Antragstellern sorgen nicht nur schwere Einschnitte durch GLÖZ-Auflagen und unattraktive Ökoregelungen, sondern auch der föderale Flickenteppich beim Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKoS). In Deutschland sind die rd. 300.000 landwirtschaftlichen Antragsteller weiterhin mit 13 teils sehr verschiedenen arbeitenden InVeKoS-Regionen konfrontiert. Auch nach der Einführung von automatisierten Flächenüberwachungssystemen (AMS) und der Einbindung von georeferenzierten Fotos, die eigentlich für eine Reduzierung des Kontrollaufwandes vor Ort sorgen sollten, treffen nach wie vor unverhältnismäßig viele App-Benachrichtigungen, E-Mails oder Briefe bei den Landwirten ein, zum Beispiel wenn sich Satellitenaufnahmen nicht mit den Antragsdaten decken. Die Folge sind teils kleinteilige Prüf- und Korrekturaufträge, bei denen das Verhältnis von Aufwand und Nutzen oftmals diskussionswürdig ist.

Bei der GAP-Förderung sind Bund, Länder und EU im Gleichschritt gefragt
Anstatt Nachweis- und Dokumentationspflichten unverhältnismäßig auf die Landwirte abzuwälzen, sind praktikable und moderne Antragssysteme ebenso gefragt wie unbürokratische und automatisierte Kommunikationswege, flächendeckend anwendbare Toleranz- und Bagatellspielräume sowie eine fachlich und vor allem ackerbaulich notwendige Synchronisierung von Fristen, Zeiträumen und Mindest-/Höchstbreiten bei einzelnen Fördervoraussetzungen in der GAP. Die Bundesregierung muss nun dringend unbürokratische Lösungen anbieten und in die Praxis bringen: Und zwar nicht nur bei den Ökoregelungen und der Konditionalität, sondern auch bei den GAP-Antragssystemen im Rahmen des InVeKoS. Dafür sollte sich die Bundesregierung bei der EU für entsprechende Freiheitsgrade stark machen und zugleich einen engen und im Sinne der Entbürokratisierung wirksamen Gleichschritt mit den Ländern moderieren.

Die folgende, unvollständige Sammlung an Schwierigkeiten und Ansätzen zeigt beispielhaft, inwiefern unter Berücksichtigung aller Rechtsgrundlagen (nationale Gesetze und Verordnungen für Direktzahlungen, Konditionalität und InVeKoS) wirksamer Bürokratieabbau für die Landwirte und für die Verwaltungen betrieben werden sollte:

  • Kehrtwende beim Anlastungsrisiko: Im Grundsatz unverhältnismäßig hohes Anlastungsrisiko bereits bei kleinen/marginalen/geringfügigen/unbeabsichtigten/versehentlichen Fehlern bzw. Verstößen. Hilfreich wäre eine Stärkung statt Reduzierung von Toleranzen und Bagatellgrenzen, die für alle Betriebsausrichtungen und -größen nutzbar sind. Erforderlich für Landwirte, Bauernverbände, Berater und Verwaltungen gleichermaßen ist zudem eine verhältnismäßige Auslegung und transparente Vereinbarung, unter welchen Voraussetzungen Fehler als kleine/marginale/geringfügige/unbeabsichtigte/versehentliche Verstöße eingestuft werden, die keine Kürzungen und Sanktionen auslösen.
  • Vereinheitlichung und Synchronisierung von Förderbedingungen: Regelungen und Fördervorgaben für Direktzahlungen, GLÖZ, GAB, Ökoregelungen, AUKM und weitere Bereiche sind unübersichtlich, teils inkonsistent und wirken mitunter gegeneinander. Die Streichung überflüssiger und unpraktikabler Vorgaben und klar erkennbare Kombinationsmöglichkeiten würde wirksam zu den GAP-Zielen beitragen.
  • Oberste Prämisse sollte die Reduzierung von manuellen Kontrolltätigkeiten sein: Dies erfordert mehr Vertrauen, mehr Automatisierung und mehr Bereitschaft, Best-Practice zu adaptieren und Worst-Practice zu eliminieren. Flächenüberwachungssysteme, Fernerkundung, optische Daten, georeferenzierte Fotos und eine Vielzahl an teils unausgereiften Antrags-Apps führen bislang nicht zur angekündigten und erhofften Reduzierung von Prüf-, Kontroll- und Korrekturtätigkeiten. Ohne eine kostendeckende Honorierung sind die antragstellenden Landwirte besonders negativ betroffen von der Entwicklung, wonach staatliche Instanzen auf EU-, Bund- und Länderebene in rasanter Geschwindigkeit immer mehr Prüf-, Kontroll- und Korrekturtätigkeiten im Zuge der GAP-Antragstellung auf die Landwirte abwälzen. Hier scheint das Maß spätestens mit den Erfahrungen aus dem ersten Antragsjahr 2023 nach der GAP-Reform überzogen zu sein. Hier ist bereits kurzfristig eine spürbare Umkehr in Richtung mehr Digitalisierung und Automatisierung sowie eine viel bessere Bündelung von Kompetenzen und Best-Practice über Ländergrenzen hinweg erforderlich.
  • Jährliches „Lotteriespiel“ der förderrechtlichen Regeln und Prämien für „Grüne Architektur“ und GAP-Antrag ist ein „No Go“ aus Sicht der unternehmerischen Verantwortung der Landwirte: Im Zusammenspiel mit den vor- und nachgelagerten Abhängigkeiten (z.B. Saatgut, Düngung, Abnahmeverträge usw.) planen die Betriebe ihren Anbau weit im Voraus. Für eine deutlich bessere Planbarkeit und Verlässlichkeit müssen GAP-Änderungen künftig mindestens 12 Monate im Voraus bekannt gegeben werden.
  • Betriebliche und unternehmerische Plausibilitätsprüfung bei der GAP-Antragstellung verbessern: Je nach Bundesland und Antragsgestaltung fällt die Unübersichtlichkeit für den antragstellenden Landwirt unterschiedlich groß oder klein aus. Komplexe und unübersichtliche Antragsprogramme, -informationen und -unterlagen führen die Betriebe in teils undurchsichtige Abhängigkeiten. Eine adäquate Plausibilitätsprüfung, ob betriebliche Angaben im GAP-Antrag grundsätzlich stimmig sind, ist dann kaum mehr möglich. Erforderlich sind einfache und unverschachtelte Antragsprogramme mit klarer, verständlicher und praxisorientierter Sprache.
  • 1.000-Quadratmeter-Toleranzregelung langfristig über das Jahr 2023 hinaus: In Fällen von Messungenauigkeiten, versehentlichen Überflügen, natürlicher Ausbreitung von Landschaftselementen o.ä. ist rückwirkend und nur für das Jahr 2023 eine Toleranzregelung von 1.000 m² eingeführt worden. Klar ist, dass eine derartige Toleranzregelung sowohl für größere als auch kleinere Flächenstrukturen auch langfristig in den Folgejahren erforderlich ist. Unterjährige Referenzflächenabgleiche haben echte (existenzielle) Rück- und Auswirkungen. Eine konsequente Anwendung von Toleranzen würde diese Sensibilität aufgreifen.
  • Umgang mit Stilllegungsflächen und Brachen flächendeckend flexibilisieren und vereinheitlichen: Die Bereitstellung, Aufwertung, Beantragung und Nachweisführung von pflichtmäßigen und freiwilligen Brachflächen muss in allen relevanten Rechtsgrundlagen erleichtert werden. Dazu gehört auch ein bedarfsmäßiger Auflagenverzicht bei der Mindesttätigkeit auf Brachen, um unnötige Arbeitsschritte mit CO2-Ausstoß und überflüssige Dokumentationspflichten zu vermeiden. Eine aktive Begrünung auch im Sinne einer ökologischen Aufwertung muss bis zum 31. März des Antragsjahres ermöglicht werden. Auch Kleinstflächen bis 1.000 m² müssen angesichts der Fortschritte bei der Flächenerkennung anerkannt werden. Unbedenkliche Überfahrungen z.B. für Pflegearbeiten, Bejagung usw. müssen bundesweit einheitlich möglich sein. Für pflichtmäßige und freiwillige Brachen müssen identische Mischcodes deutschlandweit angeboten werden, die die Landwirte in Bezug auf lagegenaue Einzeichnungspflichten entlasten.
  • Beim Dauergrünlanderhalt den eingeschlagenen Weg einer Stichtagsregelung konsequent entwickeln und die fragwürdige 5-Jahresfrist endlich abschaffen: Auf EU-Ebene (Art. 4 Abs. 3 Buchst. c) der Verordnung (EU) Nr. 2021/2115) und auch national (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 der GAP-DZ-VO) ist die kontraproduktive 5-Jahresfrist zur verwaltungsmäßigen Grünlandwerdung bislang nicht gestrichen und ausschließlich durch eine konsequente Stichtagsregelung ersetzt worden. Trotz der seit 2023 lediglich für nach 2021 entstandene Grünlandflächen geltenden Stichtagsregelung müssen sich die Landwirte je nach Region weiterhin mit einer Vielzahl an Anträgen, Genehmigungsverfahren und Nachweisführungen befassen. Bund und Länder müssen beim Dauergrünlanderhalt die Potenziale für Vereinfachungen nutzen und Bürokratie wirksam abbauen. Ziel muss es auch gegenüber der EU-Kommission sein, die Praxis des erzwungenen Umbruchs von Ackerflächen alle 5 Jahre zu beenden. Es geht darum, bürokratische Anzeige- und Genehmigungsverfahren auf ein Minimum zu reduzieren und ökologisch unbedenkliche Pflegemaßnahmen zu ermöglichen.

Anliegen zum Agrarantrag 4.0 skizzieren wesentliche Schritte in die richtige Richtung

Der DBV setzt sich dafür ein, dass EU, Bund und Länder die Förderstruktur und die Förderabwicklung in der GAP künftig deutlich einfacher und übersichtlicher werden. Dazu müssen die Möglichkeiten eines digitalen Antragssystems 4.0 bestmöglich genutzt werden. Wie ein moderner und effizienter Agrarantrag 4.0 aussehen kann, skizziert der DBV in einer Broschüre (online unter t.ly/a-lgP). Sinnvolle regionale Differenzierungen in der GAP-Förderung sind aus Sicht des DBV auch künftig angezeigt, dennoch kommt es hier vor allem auf eine deutlich verbesserte Abstimmung des Fördersystems zwischen Bund und Ländern an, die von der Bundesregierung verantwortungsvoll und zielgerichtet geführt werden sollte.