Die EU ist weltweit der größte Importeur und Exporteur von Agrargütern und Lebensmitteln und damit ein bedeutender Akteur im internationalen Agrarhandel. Bilaterale Handelsabkommen mit Drittstaaten wie Japan, Vietnam oder Kanada spielen dabei auch für die Landwirtschaft eine immer wichtiger werdende Rolle. Die Handelspolitik gehört neben der Agrar- und der Wettbewerbspolitik von Anfang an zu den europäischen Gemeinschaftspolitiken.

Bei Handelsfragen spricht die EU nach Möglichkeit mit einer Stimme. Die Verhandlungskompetenz liegt bei der Kommission. Der Handelsministerrat, das EU-Parlament müssen letztendlich jedoch zustimmen. Der Vertrag von Lissabon hat die Verhandlungskompetenz der EU-Kommission auf ausländische Direktinvestitionen erweitert und auch die Rolle des EU-Parlaments gestärkt. Sind zusätzlich auch Themen in nationaler Kompetenz Gegenstand von Handelsabkommen – wie etwa die Anerkennung von Bildungsabschlüssen oder die Entsendung von Fachkräften aus den Partnerländern – müssen auch die nationalen Parlamente zustimmen.

Warum Handel?

Grundsätzlich ist es das Ziel von internationalem Handel, für alle beteiligten Handelspartner mehr Wohlstand zu schaffen. Dafür müssen die Handelsbeziehungen ausgeglichen und zum gegenseitigem Vorteil der Partner sein. Als Hüterin der globalen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen wacht die Welthandelsorganisation (WTO) über die Einhaltung globaler Standards und Regeln.

Die internationale Arbeitsteilung ist der Kern des globalen Welthandels. Das trifft auch auf die Landwirtschaft zu. Aufgrund der klimatischen Bedingungen ist Nord-West-Europa beispielsweise eine Gunstregion für die Milchproduktion. Viele europäische Regionen zeichnen sich durch eine gute Bodenqualität aus und erzielen daher überdurchschnittliche Ernteerträge beim Getreideanbau. Demgegenüber fehlt es der EU beispielsweise an ertragreichen Standorten für Eiweißpflanzen. Daher werden diese zum großen Teil aus anderen Weltregionen importiert. Insgesamt stammen sogar rund 30 Prozent der verarbeiteten Rohstoffe des EU-Agrar- und Lebensmittelsektors aus Drittstaaten.

Über den globalen Warenaustausch hinaus verfolgt der regelbasierte Welthandel ein bedeutendes weiteres Ziel. Durch Handelsabkommen werden politische Ambitionen festgeschrieben und Verlässlichkeit geschaffen. So findet nicht nur ein Austausch globaler Werte statt, sondern es können verpflichtende Ziele beispielsweise beim Klima- & Umweltschutz oder bei Arbeits- & Sozialstandards definiert werden.

Der DBV bekennt sich grundsätzlich zum Handel. Handelsabkommen müssen ausgewogen sein und hohe EU-Verbraucher– und Umweltstandards müssen gewahrt bleiben. Offensive Interessen (mehr Exportmöglichkeiten) und defensive Interessen (Schutz vor Importen) sollten gut gegeneinander abgewogen werden. Im Agrarbereich kommt der Wunsch nach einem hohen Grad an Selbstversorgung mit Grundnahrungsmitteln sowie dem Erhalt einer vielfältigen heimischen Landwirtschaft hinzu. Somit müssen aus Sicht des DBV sensible Produkte angemessen geschützt werden (begrenzte Zollkontingente). Jedes Abkommen ist individuell zu betrachten.

Vom multilateralen zum bilateralen Welthandel

Multilaterale Handelsabkommen gelten für die Liberalisierung des Welthandels als besonders wirkungsvoll, da internationale und allgemeinverbindliche Handelsregeln noch mehr Planungs- und Rechtssicherheit für die Unternehmen schaffen. Mit der Uruguay-Runde der Welthandelsorganisation (WTO, damals GATT) in 1992 wurde der Agrarsektor erstmals in das Welthandelssystem einbezogen. Die 2001 begonnene Doha-Runde hatte keinen Erfolg, doch gab es bei den vergangenen WTO-Ministerkonferenzen in Bali 2013 und Nairobi 2015 Einigungen zu wichtigen Einzelfragen. Als Reaktion auf die schwindende Rolle der WTO wird weltweit zunehmend auf bilaterale Handelsabkommen gebaut. Auch die EU verfolgt diese Strategie. Mit mehreren Ländern erreichte man bilaterale Einigungen. Diese gehen häufig über den reinen Austausch von Waren und Dienstleistungen hinaus und beinhalten auch nicht-tarifäre Aspekte, wie z.B. den Klimaschutz oder die Entwicklungszusammenarbeit.

Mit wem verhandelt die EU?

Gegenwärtig wird mit vielen verschiedenen Ländern der Welt über Freihandelsabkommen verhandelt. Ein besonderer Fokus wird dabei auf Wachstumsregionen gelegt. Mit verschiedenen Ländern wurden bereits Abkommen unterzeichnet. Derweil wird unter anderem noch mit Thailand und Malaysia verhandelt. Diese Länder bieten aufgrund ihres hohen Wirtschaftswachstums verbunden mit einer hohen Bevölkerung attraktive Märkte, insbesondere auch für europäische Agrarprodukte. Die Verhandlungen mit den USA wurden nach dem Amtsantritt von US-Präsident Trump faktisch abgebrochen.

Mit vielen traditionellen Partnern hat die EU liberalisierte Handelsbeziehungen festgeschrieben. So traten in den letzten zwei Jahren unter anderem bilaterale Abkommen mit Kanada (CETA) und Japan (JEFTA) in Kraft. Beide Abkommen bringen für die Landwirtschaft erhebliche Vorteile mit sich. Sowohl in Japan als auch in Kanada herrschen vergleichsweise hohe Standards, gleichzeitig bieten die Verträge gute Absatzmöglichkeiten für eine Vielzahl europäischer Agrarprodukte. Mit dem JEFTA-Abkommen hat sich Japan beispielsweise verpflichtet, über 90 Prozent der Zölle für EU-Agrarexporte abzuschaffen.

Mit dem südamerikanischen Block der Mercosurstaaten (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) ist die EU-Landwirtschaft hingegen in einer Defensivposition. Hier besteht das Interesse der EU vor allem im Export von Industriegütern und Dienstleistungen. Der südamerikanische Fokus liegt primär auf der Ausfuhr von Agrarprodukten (vor allem Rind-, Schweine- und Geflügelfleisch sowie Zucker und Ethanol). Durch ein sehr viel geringeres Niveau an Umwelt-, Klima-, und Sozialstandards findet hier jedoch eine einseitige Wettbewerbsverzerrung gegenüber den europäischen Produzenten statt. Die Verhandlungen um ein Handelsabkommen wurden im Frühjahr 2019 abgeschlossen. Allerdings regt sich sowohl in den nationalen Parlamenten als auch im Europäischen Parlament starker Widerstand gegen eine Ratifizierung, auch weil seit dem Amtsantritt des brasilianischen Präsidenten Bolsonaro viele Umwelt- und Sozialstandards offenbar unterlaufen werden.

Verhandlungen über bilaterale Freihandelsabkommen finden auch mit Neuseeland und Australien statt. Auch hier spielen Agrarprodukte eine entscheidende Rolle. Beide Länder haben eine sehr wettbewerbsfähige Landwirtschaft. Die Absatzchancen der EU-Landwirtschaft sind jedoch besonders im Falle von Neuseeland ausgesprochen gering. Die EU-Kommission hat daher bereits deutlich gemacht, im Agrarsektor keine uneingeschränkte Marktöffnung zulassen zu wollen und sensible europäische Agrarprodukte zu schützen.

Handelspolitik und Europäischer „Green Deal“

Im Ressourcen- und Klimaschutz ist die europäische Landwirtschaft bereits heute globaler Vorreiter und sie stellt sich weiteren Herausforderungen. Nirgendwo sonst auf der Welt werden so preisgünstige und qualitativ hochwertige Lebensmittel produziert und gleichzeitig so hohe Umwelt- und Klimastandards eingehalten wie in Europa. Der Europäische „Green Deal“ soll den Weg für noch mehr Umwelt- und Klimaschutz ebnen. Die europäische Landwirtschaft kann hier noch mehr leisten, benötigt dafür aber Schutz vor Agrargütern aus Drittländern, die europäische Standards unterlaufen. Deshalb fordert der DBV einen ausgewogenen internationalen Agrarhandel mit klaren Regeln für die Nachhaltigkeit. Diese offene Flanke des europäischen „Green Deal“ muss durch globale Mindestregeln im Klima- und Umweltschutz und durch zu entwickelnde Instrumente und Mechanismen, welche die Differenzen zwischen internationalen und europäischen Umwelt- und Klimastandards sowie unterschiedlichen Produktionsauflagen ausgleichen, geschlossen werden.

 

Weiterführende Informationen zu derzeit laufenden Verhandlungen über Freihandelsabkommen mit Drittstaaten finden Sie auf den Seiten der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission: