Große Hoffnungen werden auf den neuen Bundeslandwirtschaftsminister gesetzt. Landwirtschaft braucht Zukunftsperspektiven, wieder Vertrauen in die Politik - einen „echten Kurswechsel“, wie Alois Rainer ihn in seiner jüngsten Regierungserklärung angekündigt hat. Gegenüber der dbk beschreibt Bundesminister Rainer, wie er das umsetzen will.

dbk: Landwirtinnen und Landwirte haben große Hoffnungen und Erwartungen an einen neuen Landwirtschaftsminister. Was verbindet Sie persönlich, über Ihr Ministeramt hinaus, mit der Landwirtschaft?
Bundesminister Alois Rainer: Als langjähriger Bürgermeister meiner Heimatgemeinde Haibach trage ich die ländlichen Regionen in meinem Herzen. Als Metzgermeister – wie mittlerweile fast jeder mitbekommen hat (schmunzelt) - kenne ich die Ernährungswirtschaft aus erster Hand. Als ehemaliges Mitglied im Ernährungs- und Agrarausschuss weiß ich, wo die Sorgen und Nöte der Branche liegen. Und als Waldbesitzer stehe ich vor den gleichen Herausforderungen wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen in der Forstwirtschaft. Ich weiß also, wovon ich rede.

dbk: Sie haben in Ihrer Regierungserklärung einen „echten Kurswechsel“ angekündigt. Welche Prioritäten setzen Sie dabei?
Rainer: Landwirte sollen wieder mehr Zeit für Felder und Höfe haben, statt am Schreibtisch zu ackern. Deshalb steht für mich der Bürokratieabbau ganz oben auf der Agenda. Ich habe dafür eine eigene Stabsstelle in meinem Ministerium eingerichtet. Unsere Landwirtinnen und Landwirte müssen mehr Beinfreiheit bei gleichzeitiger Planungssicherheit bekommen. Ich will auch schnell ein anderes Miteinander: Mehr Vertrauen statt Misstrauen und Kontrollwut. Konkret werde ich in den ersten 100 Tagen alles in die Wege leiten, um unter anderem die Stoffstrombilanz-Verordnung außer Kraft zu setzen, den Wolf ins Bundesjagdgesetz aufzunehmen und den Ampel-Stopp der Agrardieselrückvergütung zurückzunehmen – gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister.

dbk: Beim Umbau der Tierhaltung sind bislang die Finanzierung, aber auch bau- und genehmigungsrechtliche Fragen ungelöste Probleme. Wie werden Sie die politisch und gesellschaftlich gewünschten Tierwohlställe verlässlich auf den Weg bringen?
Rainer: Wir brauchen ein Förderprogramm für Tierwohlställe, das langfristige Planungssicherheit schafft. Die schwarz-rote Koalition will die nötigen Mittel dauerhaft bereitstellen. Ich werde hart dafür kämpfen. Das haben unsere Landwirtinnen und Landwirte verdient, die sich Tag und Nacht verantwortungsvoll um ihre Tiere kümmern.

dbk: Die neue Bundesregierung hat sich vorgenommen, in Europa wieder stärker sichtbar zu werden. Wie wird das bei der Landwirtschafts- und Umweltpolitik umgesetzt werden?
Rainer: Ich will die Stimme Deutschlands auf EU-Ebene deutlich stärken. Das heißt auch, dass es kein „German Vote“ mehr geben soll. Wenn wir die EU-Politik beeinflussen wollen – und das können wir als größter Mitgliedsstaat – dann müssen wir klare Entscheidungen treffen. Ich habe Ende Mai das erste Mal am EU-Agrarrat in Brüssel teilgenommen. Mir war wichtig, mich dort auch direkt für Erleichterungen stark zu machen, zum Beispiel für unsere Waldbesitzer. Die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten muss praktikabel sein, ohne bürokratische Hürden. Eine breite Mehrheit im Rat teilt mein Ziel einer „Null-Risiko-Kategorie“. Wer den Wald schützt, darf nicht durch endlose Nachweispflichten entmutigt werden. Auch mit Kommissar Hansen bin ich hier einer Meinung, übrigens ein Mann, mit dem man sehr konstruktiv reden kann.

dbk: Die Gemeinsame Agrarpolitik GAP braucht ein angemessenes Budget, so Ihre Worte im Bundestag. Eigentlich bräuchte es ein größeres Budget. Wie werden Sie das angesichts der angespannten Haushaltslage umsetzen?
Rainer: Die Landwirtinnen und Landwirte verdienen eine GAP, die sich an der Realität der Höfe orientiert. Sie muss unbürokratisch, zielgerichtet und wettbewerbsfähig sein. Planungssicherheit ist hier ganz zentral. Ich habe in Brüssel, auch gegenüber Kommissar Hansen, deutlich gemacht: Die GAP hat zwei Säulen und dabei muss es bleiben. Wenn wir heute an der Landwirtschaft sparen, gefährden wir morgen unsere Versorgungssicherheit, unsere Umweltziele und die Zukunft des ländlichen Raums. Darum werde ich mich dafür mit Nachdruck einsetzen – auf nationaler wie europäischer Ebene. Klar ist aber auch: Die Haushaltslage ist angespannt und die politischen Herausforderungen zahlreich. Umso wichtiger ist es, die Mittel zielgerichtet und wirksam einzusetzen.

dbk: Der Strukturwandel ist nicht zu stoppen. Welche konkreten Anreize werden Sie der jungen Generation bieten, damit diese eine Zukunft in der Landwirtschaft sieht?
Rainer: Erst mal brauchen wir eine andere Erzählung. Wer sich als junger Mensch entscheidet, Landwirtin oder Landwirt zu werden, trifft nicht nur eine große, sondern auch eine großartige Entscheidung. Was gibt es Schöneres? Auch wenn alle wissen, dass der Job eine Berufung ist und kein Nine-to-five-Job mit perfekter Work-Life-Balance, dürfen wir ihn nicht schlecht machen. Dazu gehört natürlich auch von Seiten der Politik, den jungen Menschen, die Betriebe übernehmen oder neu einsteigen wollen, gute wirtschaftliche Zukunftsperspektiven zu bieten. Mir ist es besonders wichtig, hier verstärkt auch Frauen anzusprechen. Beides sind zentrale Voraussetzungen für die langfristige Zukunftsfähigkeit des Sektors. In der GAP gibt es ja bereits unterstützende Ansätze, die gezielt weiterentwickelt werden sollten. Dazu gehören unter anderem die Top-up-Zahlungen für Junglandwirtinnen und Junglandwirte in der ersten Säule oder die Existenzgründungsprämie und Investitionsförderungen in der zweiten Säule. Diese sollten stärker kombiniert und strategisch auf den tatsächlichen Unterstützungsbedarf ausgerichtet werden.

dbk: Ihr Ministerium ist auch für den Bereich „Heimat“ zuständig. Mit welchen konkreten Maßnahmen werden Sie diesen großen Begriff füllen?
Rainer: Heimat ist da, wo das Herz schlägt. Ich bin tief verwurzelt in meiner Region, aber jede und jeder hat natürlich ein eigenes Verständnis davon. Heimat bedeutet Stadt und Land. Ich will mit meiner Heimatpolitik die regionale Vielfalt unseres Landes stärken. Ein vielfältiges Land braucht Lösungen, die in der Praxis vor Ort funktionieren, und die den regionalen Besonderheiten gerecht werden. Das gilt zum Beispiel für unsere Landwirtschaftspolitik mit ihren regionalen Gegebenheiten. Das gilt für regionale Wertschöpfung und Regionalvermarktung, die ich weiter stärken will. Das gilt aber auch für mehr Flächenabdeckung beim Mobilfunk- und Breitbandausbau oder die Daseinsvorsorge in den ländlichen Räumen. Entscheidend ist hier die Zusammenarbeit mit den anderen thematisch zuständigen Ministerien, um regional passende Angebote und insgesamt gleichwertige Lebensverhältnisse zu erreichen. Deswegen werde ich für einen frühzeitigen Austausch zu diesen Themen innerhalb der Bundesregierung sorgen.

dbk: In der Vergangenheit haben sich die Ressorts Landwirtschaft und Umwelt immer wieder gegenseitig ausgebremst. Die Bauern fürchten, dass das wieder so kommt. Was wird unter Ihrer Führung anders werden?
Rainer: Ich möchte verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Mein Ziel ist, dass wir innerhalb der Koalition geräuschlos verhandeln und dann geeint im Sinne der Landwirte und der Umwelt nach außen treten. Mein Eindruck ist, dass der neue Bundesumweltminister das auch so sieht. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, Umwelt- und Klimaschutzstandards umzusetzen und dabei auf Freiwilligkeit und Eigenverantwortung zu setzen. Wir brauchen hier eine gesunde Balance.

Interview: Dr. Anni Neu